Die Rufe nach Entlastungen für Menschen mit geringen und mittleren Einkommen werden lauter. Doch wie sollen diese aussehen? DIW-Ökonom Fratzscher wirbt für direkte Zahlungen.
Für die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland wird es keine Ausnahme bei der Mehrwertsteuer auf die Gasumlage geben - das hat die EU-Kommission bekräftigt. Die Ampel-Koalition lotet daher weitere Entlastungsmöglichkeiten aus.
Die Ampel-Koalition muss aus Sicht von Ökonomen wegen der stark steigenden Energiepreise dringend ein Entlastungspaket vor allem für Menschen mit geringen bis mittleren Einkommen auf den Weg bringen. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, sagte der Nachrichtenagentur dpa:
Fratzscher sagte, ein Energiegeld von 100 Euro pro Person und pro Monat für die kommenden 18 Monate sollte nur an Menschen mit mittleren und geringen Einkommen gehen und nicht an Menschen mit hohen Einkommen.
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IMK-Direktor für Neuauflage der Energiepauschale
Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung, sagte, denkbar und sinnvoll wäre eine Neuauflage der Energiepauschale, die im September an alle Beschäftigten ausgezahlt wird.
Dabei sollten auch Haushalte berücksichtigt werden, die bislang weitgehend leer ausgingen, etwa Rentner mit niedrigen Einkommen, aber ohne Wohngeldbezug.
"Menschen, die bisher 100 Euro im Monat für ihre Gasheizung bezahlt haben, werden bald 300 Euro oder mehr bezahlen", so Dullien.
"Für den sozialen Frieden im Land ist es wichtig, diese Belastung abzufedern", sagte Dullien weiter. Diese Gruppe könne man nicht über die normalen Transfersysteme entlasten. Man könnte eine neue Energiepauschale im Dezember auszahlen, um den Menschen zu helfen, ihre Rechnung nach dem Winter zu begleichen.
Sozialverband: Hartz-IV-Regelsätze anheben
Auch der Sozialverband Deutschland (SOVD) fordert, rasch neue Entlastungen auf den Weg zu bringen. Sonst kämen "Menschen in Bedrängnis, die arbeiten gehen und sich um ihre Familien kümmern - das Herzstück des deutschen Sozialstaates", sagte SOVD-Vizepräsidentin Ursula Engelen-Kefer der "Neuen Osnabrücker Zeitung" und warnte vor "sozialen Unruhen" im Herbst.
Unionsfraktionsvize Jens Spahn kritisiert im ZDF die Regierung für die geplante Gasumlage.
Konkret forderte sie, die Energiepauschale von 300 Euro zu erhöhen und im kommenden Jahr erneut auszuzahlen. Für dieses Jahr sollte diese auch "rückwirkend an Rentnerinnen und Rentner sowie Studierende gezahlt werden". Außerdem müssten die Regelsätze für Hartz-IV-Empfänger "auf mindestens 650 Euro angehoben werden". Menschen in Hartz IV bräuchten die Sicherheit, dass ihre Heizkosten voll erstattet werden.
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Gasumlage treibt viele Energiepreise in die Höhe
Ab Oktober gilt eine staatliche Gasumlage, die zu deutlichen Preissteigerungen führt. Sie soll Gasversorgern zugutekommen, die zu hohen Preisen Ersatz für ausbleibende, günstigere Gasmengen aus Russland kaufen müssen. Dazu kommt, dass höhere Beschaffungskosten ohnehin schrittweise bei den Kunden ankommen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat zugesichert, es werde niemand alleine gelassen. Scholz sagte, die Regierung wolle auch etwas für diejenigen machen, die zwar ein Arbeitseinkommen hätten, aber auch rechnen müssten, die keine Ersparnisse hätten und mit den gestiegenen Energiekosten nicht ohne weiteres umgehen könnten.
"Es geht mir um diejenigen, die 2.800, 3.200 oder 4.000 Euro brutto im Monat verdienen, für die das alles große Herausforderungen sind", sagte der SPD-Politiker.
- Was Sie zur Gasumlage wissen müssen
Jetzt steht es fest: Die Gasumlage ab Oktober wird 2,419 Cent betragen. Wie funktioniert das Prinzip? Was ist zu beachten? Und mit welchen Kosten ist zu rechnen? Ein Überblick.