Bis vor Kurzem wurde erwartet, dass die EZB Zinserhöhungen in Aussicht stellen würde. Doch der Ukraine-Krieg macht Hoffnungen auf eine Zinswende zunichte.
Überschattet vom Krieg in der Ukraine muss die Europäische Zentralbank heute auf ihrer Sitzung über ihren künftigen Zins-Kurs entscheiden.
Heute schauen Sparer und internationale Finanzmärkte gespannt auf die Europäische Zentralbank in Frankfurt. Denn die 25 Mitglieder des Rates der EZB, an der Spitze Präsidentin Christine Lagarde treten zusammen, um über die Zukunft unseres Geldes zu entscheiden. Die Erwartungen sind hoch, zu hoch vielleicht. Sparer hoffen nämlich auf die ersehnte Zinswende.
Hoffen auf Normalisierung der Geldpolitik
Auch die Mehrheit der Volkswirte ging vor einem Monat noch fest davon aus, heute sei der historische Tag, an dem die EZB das Signal zur Normalisierung ihrer Geldpolitik setzen wird, sprich: Anleihekäufe beenden und den Einlagezins immerhin von -0,5 auf 0,0 (!) Prozent setzen.
Ärmere Sparer und Schulden auf Rekordniveau
Zumal der Druck hoch ist: Das billige Geld hat nicht nur Sparer ärmer gemacht und Aktien- und Immobilienmärkte in schwindelerregende Höhen getrieben, sondern auch weltweite Kredite und Schulden auf ein Rekordniveau geführt.
Zudem haben hohe Rohstoff- und Energiekosten offensichtlich eine Inflation etabliert, die sich hartnäckiger hält als zunächst angenommen. Die Teuerung ist derzeit im gesamten Euroraum auf dem Vormarsch und mit aktuell 5,8 Prozent weit über die Zielmarke der EZB von 2 Prozent hinausgeschossen.
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Krieg in der Ukraine beeinflusst EZB-Entscheidung
Doch der Krieg in der Ukraine hat alles verändert und die EZB steht vor der schwierigen Abwägung, ob sie die Inflation bremsen oder die lockere Geldpolitik fortsetzt, um die Konjunktur zu stützen. Sie wird sich heute vermutlich für Letzteres entscheiden.
Herausforderungen: Energiewende und Militäraufrüstung
Denn die Eurozone steuert ohnehin mit größter Wahrscheinlichkeit auf eine Stagflation zu, also dem Szenario steigender Preise bei gleichzeitig nachlassender Wirtschaftsdynamik.
Deshalb sollen sich Unternehmen auch künftig günstig finanzieren können, so das Argument der EZB. Noch dazu, weil extreme Herausforderungen auf die Wirtschaft zukommen, die finanziert werden müssen: Stichwort Energiewende und Militäraufrüstung.
"Eines ist ganz klar: Wir müssen raus aus der Abhängigkeit von russischem Gas", so Ursula von der Leyen, Europäische Kommissions-Präsidentin.
Das dafür benötigte Kapital kann nur aufgebracht werden, wenn die Notenbanken auch weiterhin mit weit geöffneten Geldschleusen die Finanzierung flankieren. Wahrscheinlich wird die EZB auch künftig eine höhere Inflation tolerieren. Abgesehen davon, dass Ökonomen Zweifel hegen, ob sich die preistreibenden Energiekosten durch Zinserhöhungen überhaupt noch bremsen lassen.
Sparer sollten heute also eher nicht darauf setzen, dass die Zinsen bald steigen. Vermeintlich sicheres Zinssparen für die Altersvorsorge bleibt also eine schlechte Wahl – Aktien dürften auch weiterhin alternativlos bleiben.
Stephanie Barrett ist Redakteurin in der ZDF-Börsenredaktion