Chinas Immobilienriese Evergrande droht die Pleite. Könnte es eine Kettenreaktion geben, die auch Deutschland erreicht? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Dem hoch verschuldeten chinesischen Immobilienriesen
Evergrande steht das Wasser bis zum Hals. Rating-Agenturen stuften seine Kreditwürdigkeit herunter und stellten einen Kreditausfall in einigen Bereichen fest.
Warum steckt Evergrande in Schwierigkeiten?
Mit seiner schnellen Expansion hat Evergrande mehr als 300 Milliarden US-Dollar Schulden (rund 266 Mrd Euro) gemacht. Zumindest so viel steht in den Büchern. Doch darüber hinaus soll es weitere Verpflichtungen von 150 Milliarden Dollar geben. Mit dem Boom auf dem chinesischen Immobilienmarkt und der in China üblichen Praxis, Wohnungen auf Vorkasse zu bauen, war es leicht, Kredite zu bekommen.
Welche Rolle spielt die Regulierungskampagne der Regierung?
Die Regierung hat die Zügel für Immobilienunternehmen enger gezogen. Sie will die Verschuldung reduzieren und stärker gegen Spekulation mit Wohnungen vorgehen. Dafür wurden "drei rote Linien" gezogen:
- Das Verhältnis von Verbindlichkeiten zu Vermögenswerten darf nicht mehr als 70 Prozent betragen.
- Auch darf der Nettoverschuldungsgrad nicht bei mehr als 100 Prozent liegen.
- Das Verhältnis von liquiden Mitteln zu kurzfristigen Verbindlichkeiten von Unternehmen muss über dem Faktor eins liegen.
Die Pleite des Riesenkonzerns könne die "chinesische Wirtschaft infizieren" und sich schnell zu einer Weltwirtschaftskrise ausweiten, so ZDF-Korrespondent Ulf Röller in Peking über den hochverschuldeten Immobilienkonzern Evergrande.
Warum bangt die ganze Welt um einen chinesischen Konzern?
Es ist einmal die Höhe der Schulden, zum anderen aber auch die Angst vor Ansteckungsgefahr und einem Domino-Effekt. Das ganze Finanzsystem in China ist eng mit dem lange boomenden Immobiliensektor verwoben.
Zudem zieht der Fall Evergrande weitere Kreise: Die Ratingagentur Fitch warnt auch mit Blick auf den kleineren Konkurrenten Kaisa, die Aoyuan-Gruppe berichtete jüngst von Finanzproblemen. Die Rating-Agentur S&P erwartet, dass es in den kommenden Monaten mehr Zahlungsausfälle bei chinesischen Immobilienentwicklern geben wird.
Was macht Chinas Regierung, um die Folgen möglichst gering zu halten?
Chinas Regierung scheint an Evergrande ein Exempel statuieren zu wollen. Zentralbankchef Yi Gang signalisierte, dass der Staat nicht mit Finanzhilfen unter die Arme greifen werde. Er setzt demonstrativ auf den Markt, um die Probleme zu lösen. Dennoch sind staatliche Stellen involviert. Die Regierung der Provinz Guangdong, wo Evergrande beheimatet ist, hat eine Arbeitsgruppe in den Konzern zur Kontrolle entsandt.
Was würde eine Evergrande-Pleite für das Finanzsystem bedeuten?
Evergrande hat mit 19,2 Milliarden US-Dollar (rund 17 Mrd Euro) die meisten ausländischen Anleihen von allen chinesischen Immobilienentwickler ausstehen. Die Summe sei aber vergleichsweise überschaubar, sagte Horst Löchel, Leiter des Sino-German Center an der Frankfurt School of Finance & Management.
Die Deutsche-Bank-Fondstochter DWS hält die unmittelbaren Folgen eines Zahlungsausfalls für ein überwiegend chinesisches Problem. Die Zahl der ausländischen Investoren bei Evergrande sollte begrenzt sein, meint Chefanlagestratege Stefan Kreuzkamp. Wer investiert habe, sei sich der Situation bewusst: "Sie kommt kaum überraschend."
Welche Folgen könnten auf die Weltwirtschaft zukommen?
Die Evergrande-Krise droht den chinesischen Immobiliensektor mit sich zu reißen. "Er steht für rund 30 Prozent der Wirtschaftsleistung der Volksrepublik und entspricht dem gesamten deutschen Bruttoinlandsprodukt", sagt Löchel. Werde der Immobiliensektor von der Regierung eingedampft, belaste das die Konjunktur.
Zuletzt hatten staatliche Forscher das Wachstumsziel für 2022 auf "mehr als fünf Prozent" gesenkt. DWS-Experte Kreuzkamp glaubt, dass indirekte Effekte wie eine mögliche größere Korrektur am chinesischen Immobilienmarkt aus europäischer Sicht wichtiger sind als ein Zahlungsausfall an sich.
Sollte die ganze Wirtschaft betroffen sein, könnten auch europäische und US-Konsumgüterkonzerne die Folgen spüren. "Aber ein größerer Effekt ist bisher nicht unser Hauptszenario."
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