Personalmangel: Deshalb fehlen in vielen Branchen Fachkräfte
Pflege, Gastro oder Schwimmbad:Deshalb fehlen in vielen Branchen Fachkräfte
von Daniela Sonntag
25.07.2022 | 09:38
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Pflegekräfte, Kellner, Schwimmmeister - in vielen Bereichen fehlen derzeit Fachkräfte. Woran liegt das? Und was machen diese Menschen jetzt?
Einige Freibäder müssen geschlossen bleiben, weil es nicht genug Angestellte gibt.
Quelle: dpa
Spiegel einstellen, Radprofile überprüfen - so beginnen jetzt Konstanze Luhs Arbeitstage in Erfurt. Die 56-Jährige ist Busfahrerin bei den Erfurter Verkehrsbetrieben - obwohl sie etwas ganz anderes gelernt hatte:
Ich komme aus der Pflege. Das ist körperlich, geistig und auch emotional zu stressig geworden. Das ging nicht mehr.
Konstanze Luhs, Busfahrerin
Kontanze Luh hat Job und Branche gewechselt - und ist damit nicht allein.
70 Prozent der Fahrer bei den Erfurter Verkehrsbetrieben sind solche Quereinstieger. Hier landen viele, die aus anderen Branchen abwandern, die nicht mehr pflegen, kellnern oder backen wollen. Die sich planbare Dienste wünschen - und vernünftig bezahlte Überstunden. Das Berufsbild ist für Quereinsteiger gut geeignet, weil der Busführerschein in drei bis vier Monaten gemacht werden kann.
In Deutschland fehlen in vielen Branchen Arbeitskräfte, mit gravierenden Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung. Was sind die Gründe und was lässt sich dagegen unternehmen?30.06.2022 | 3:02 min
Viele Quereinsteiger ersetzen Fachkräfte in Verkehrsbetrieben
So ersetzen sie hier Fachkräfte, die es kaum noch gibt: nämlich ausgebildete Berufskraftfahrer. Doch mittlerweile, sagt Dietmar Schmidt, der Bereichsleiter für den Fahrbetrieb bei den Erfurter Verkehrsbetriebe AG, gäbe es auch kaum noch qualifizierte Quereinsteiger mit Führerschein Klasse D. "Der Markt ist da inzwischen leer".
Viel Arbeit, keine Leute, das gilt für einige Branchen. Für Juni 2022 zählte die Bundesarbeitsagentur 877.000 offene Stellen. Weil nicht alle freien Posten auch gemeldet werden, rechnet das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung mit insgesamt rund 1,7 Millionen unbesetzter Stellen. Sie fehlen besonders dort, wo die Arbeit hart und schlecht bezahlt ist - zum Beispiel eben in der Pflege.
"Wenn der Mangel insgesamt zu groß ist, dann hilft es auch nicht, wenn die Branchen untereinander konkurrieren", so Johannes Vogel (FDP), Parlamentarischer Geschäftsführer.30.06.2022 | 5:37 min
Besonders in der Pflege viele offene Stellen
In der Branche ist die Zahl der offenen Stellen in den vergangenen zehn Jahren um rund 43 Prozent gestiegen. Die gemeinnützige Diako GmbH mit Hauptsitz in Eisenach hat deshalb jetzt eigens eine Recruiterin eingestellt. Laura Katzmann hat als erstes das Karriereportal des Unternehmens neu aufgelegt, die betriebseigenen Benefits von Altersvorsorge über Jobbike bis zum eigenen Notebook für Azubis prominent platziert. Für 50 Jobs suchen sie Leute.
Es ja heutzutage so, dass nicht mehr der Bewerber oder die Bewerberin sich beim Arbeitgeber bewirbt, sondern eigentlich andersrum. Also wir als DiakoThüringen müssen uns ja attraktiv gestalten, müssen schnell handeln, wenn Bewerbungen eingehen.
Laura Katzmann, Recruiterin in der Pflege
So haben sie jetzt ein System etabliert, um Bewerbern möglichst schnell zu antworten, damit die Konkurrenz den Interessenten nicht wegschnappt. Nötig ist das alles auch, weil sich die Situation bei den Fachkräften durch die Pandemie noch weiter verschäft hat. In der Pflege sorgt momentan die einrichtungsbezogene Impfpflicht dafür, dass weitere Mitarbeiter dem Bereich den Rücken kehren.
Schwimmbäder müssen schließen
In anderen Branchen sind es die langen Schließzeiten und die Kurzarbeit, die Leute am Job zweifeln ließen. Im thüringischen Zeulenroda führt das mitten im Hochsommer dazu, dass zwei von drei städtisch betriebenen Bädern geschlossen sind, das dritte öffnet erst mittags. Es fehlen Rettungsschwimmer, Schwimmmeister und Fachkräfte für Bädertechnik. "Wir hatten im letzten Jahr rund drei Monate geöffnet. Und Kurzarbeit ist schwierig für die Mitarbeiter von der finanziellen Seite her", sagt Silke Kusturica von der Badewelt Waikiki.
So wurden aus Bäder-Fachangestellten Hausmeister und IT-Quereinsteiger. Trotz Suche per Anzeige und Social Media glaubt Kusturica nicht, dass sie für diese Saison noch jemanden finden. Der Weg aus dem Fachkräftemangel ist lang, da sind sich die Verantwortlichen von Erfurter Verkehrsbetrieben, Diako Thüringen und der Stadt Zeulenroda einig. Sie alle wollen die Bildungsinitiativen verstärken, für Azubis und Quereinsteiger.