Nach der Razzia in zwei Berliner Ministerien fordert das Bundesjustizministerium die Aufhebung der Durchsuchungsbeschlüsse. Das Vorgehen sei rechtswidrig gewesen.
Ein Paukenschlag kurz vor der Bundestagswahl: Anfang September durchsuchten Ermittler und Staatsanwälte das Bundesfinanz- und das Bundesjustizministerium, um Nachlässigkeit beim Umgang mit Meldungen zu möglicher Geldwäsche aufzuklären. Sie hatten dabei keine konkreten Personen im Visier. Trotzdem sprach die zuständige Staatsanwaltschaft Osnabrück in einer Pressemeldung von möglichen Verfehlungen in der Leitung der Ministerien. Das zielte direkt auf den Finanzminister und Kanzlerkandidaten Olaf Scholz, SPD.
Kritik an Landesjustizministerium
Vorwürfe der politischen Instrumentalisierung hatte das CDU-geführte Landesjustizministerium in Niedersachsen sofort empört zurückgewiesen. Auf den letzten Metern des Wahlkampfes aber gab die Debatte um die Durchsuchungen und die Rolle von Olaf Scholz bei der Aufsicht der deutschen Geldwäschespezialeinheit seinem Konkurrenten Laschet noch einmal Munition.
Im Nachspiel antwortet das Bundesjustizministerium jetzt mit juristischen Mitteln. Es fordert die nachträgliche Aufhebung der Anordnung zur Durchsuchung. In der Begründung, die dem ZDF vorliegt, heißt es, "die Verhältnismäßigkeit bei Erlass des Beschlusses" sei "sichtlich nicht gewahrt" worden. Von Willkür ist auch die Rede.
Die Justizbehörden befinden sich damit in einem Rosenkrieg zwischen Bund, Land und lokalen Ermittlern und Richtern. So ungewöhnlich es war, dass ein Amtsrichter mit Wissen eines Landesjustizministeriums die Durchsuchung von Bundesministerien anordnet, so pikant könnte es sein, wenn am Ende ein Landgericht über den Streit zwischen Berlin und Osnabrück entscheiden müsste.
FIU blieb hinter Erwartungen zurück
Ohne Frage liegt beim Kampf gegen die Geldwäsche hierzulande vieles im Argen. Die auch von Olaf Scholz angestrengte personelle Aufrüstung der Behörde zu ihrer Bekämpfung (Financial Intelligence Unit, FIU) hat bis heute nicht den Erfolg gebracht, den man sich davon versprochen hat.
Schon im April letzten Jahres beschwerte sich das Justizministerium in Nordrhein-Westfalen, dass die "FIU möglicherweise den Strafverfolgungsbehörden nicht durchgängig ihre vorhandenen Erkenntnisse zu mit gemeldeten Vermögenstransaktionen im Zusammenhang stehenden Strataten übermittele".
Bundesjustizministerium: Keine Gefahr der Verschleierung
Justizminister verschiedener Bundesländer standen mit den Bundesministerien für Justiz und für Finanzen im Austausch. Die Ermittlungen gegen die FIU waren bekannt und wurden von den übergeordneten Behörden nachweislich unterstützt. Das ist nach Ansicht des Bundesjustizministeriums schon Beleg genug, dass keine Gefahr der Verschleierung bestand.
Folgt man der Darstellung der Anwälte des Bundesjustizministeriums, dann hätten die Staatsanwälte in Osnabrück sowie der genehmigende Richter gleich vielfach über die Stränge geschlagen und gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit verstoßen.
Begründet wurden die Razzien mit der Weigerung eines Mitarbeiters des Bundesjustizministeriums, nach telefonischer Anfrage einen Schriftverkehr mit Olaf Scholz' Finanzministerium herauszugeben. So witterte man in Osnabrück sofort so etwas wie Gefahr im Verzug, verzichtete auf eine zwischen Behörden übliche schriftliche Anfrage und erwirkte die Durchsuchung.
E-Mail belegt Kooperationswille
Allerdings liegt der gepfefferten Rechtsbeschwerde aus Berlin jetzt eine E-Mail von dem sich verweigernden Beamten an seinen Vorgesetzten bei, in der deutlich wird, dass offenbar niemand Schriftverkehr beseitigen oder vernichten wollte. Im Gegenteil, die Anfrage der Staatsanwaltschaft wurde für die Akten dokumentiert. Der Mitarbeiter notierte:
Die Staatssekretärin wurde auch informiert. Der Dienstweg traf aber zu dem Zeitpunkt nicht mehr den Geschmack der Staatsanwälte. Sie entsprachen der Bitte um schriftliche Anfrage nicht, schickten gut vier Wochen später die Durchsuchungskommandos. Und sorgten so dafür, dass der Puls im Wahlkampf allseits nochmal hochging. Die Razzia bei Scholz bestimmte ein paar Tage lang die Schlagzeilen.
Geldwäsche-Problem wird Aufgabe für künftigen Minister
Das politische Garkochen des Themas Geldwäsche könnte allerdings auch positive Folge haben, denn es rückt einen eklatanten Missstand wieder in den Fokus. Die Ermittlungen gegen die FIU, die im Kampf gegen Geldwäsche nachweislich zu lange zu träge agiert hat, werden weitergehen. Unabhängig von der Frage, wer was warum vor der Bundestagswahl kurzfristig politisiert hat.
Deutschland ist ein Paradies für Geldwäscher. Rund 100 Milliarden schmutzige Euro werden schätzungsweise jedes Jahr hier gewaschen.
Sollten Staatsanwälte in Zukunft nochmal zu Durchsuchungen ausrücken oder das Finanzministerium als zuständige Rechtsaufsicht der FIU wieder ins Gerede kommen, dann würde es nicht mehr Olaf Scholz treffen. Dann hieße der Finanzminister vielleicht Christian Lindner oder Robert Habeck.
Und einer von den beiden müsste eine parteiübergreifende Antwort darauf finden, warum Deutschland sich leistet, ein internationaler Geld-Waschsalon zu bleiben.