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Analyse
Zehn Jahre Frauenquote:Wie viele Frauen in den Chefetagen sitzen
von Sina Mainitz
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Vor zehn Jahren ist das "Führungspositionengesetz" in Kraft getreten. Was hat die Frauenquote in den Chefetagen von Unternehmen bewirkt? Und wo sind noch wichtige Stellschrauben?
Zehn Jahre Frauenquote: Es gibt heute mehr Frauen in Führungspositionen, aber es bleibt noch viel Luft nach oben.
Quelle: dpa
In den Aufsichtsräten und Vorständen großer, deutscher Unternehmen gibt es heute so viele Frauen wie noch nie. Großen Anteil daran hat das vor zehn Jahren eingeführte Führungspositionengesetz, das eine feste Frauenquote von 30 Prozent in Aufsichtsräten bestimmter Firmen vorsieht.
Der Initiative Fidar (Frauen in die Aufsichtsräte) zufolge sind heute 37,5 Prozent der Aufsichtsräte in der Privatwirtschaft Frauen, vor zehn Jahren waren es noch 19,9 Prozent. Doch da gibt es noch Luft nach oben, sagt nicht nur Wiebke Ankersen von der Allbright-Stiftung. Sie setzt sich für mehr Frauen und Diversität in den Chefetagen der Wirtschaft ein.
"Vom Ziel der Parität immer noch weit entfernt"
Gleiche Karrierechancen für Männer und Frauen und bessere Unternehmensresultate durch gemischte, moderne Führungsteams sind das Ziel. Denn Gleichstellung sei nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern stärke auch die Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen.
Das Führungspositionengesetz war 2015 ein deutliches Signal, dass Handlungsbedarf besteht. Wir hatten vor zehn Jahren sechs Prozent Frauen in den Vorständen. Das war im internationalen Vergleich haarsträubend gering.
Wiebke Ankersen, Allbright-Stiftung
"Bei den 40 Dax-Unternehmen sind wir bei einem Frauenanteil von 25,7 Prozent in den Vorständen und rund 40 Prozent in den Aufsichtsräten", fügt Ankersen hinzu. "Das ist natürlich immer noch weit entfernt vom Ziel der Parität."
Divers besetzte Teams erzielen bessere Leistungen - das ist vor allem bei den großen Unternehmen angekommen. In ihrem Top-Management gibt es immer mehr Frauen. Eine Bilanz über zehn Jahre zeigt einen Anstieg auf Rekordniveau. "Ohne gesetzlichen Druck gab es zuvor quasi keinen Fortschritt", kritisiert Fidar-Präsidentin Anja Seng.
Jahrelang hoffte man, die Wirtschaft auf freiwilliger Basis vom Know-how der Frauen in der Führung zu überzeugen, gebracht hat es wenig. Die Quote sei deshalb ein Erfolg gewesen.
Auch in der Politik gibt es noch lange kleine Geschlechter-Parität:
Frauenanteil in den Parlamenten
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Am meisten Bewegung bei Dax-Unternehmen
Am meisten getan hat sich bei den Dax-Firmen. In Vorständen von Börsenunternehmen hat sich der Frauenanteil in den letzten zehn Jahren bis zum Stichtag 1. April 2025 von fünf auf 20,2 Prozent vervierfacht und in den öffentlichen Unternehmen auf 31 Prozent mehr als verdoppelt.
Im Dax hat der Hautpflege- und Kosmetikkonzern Beiersdorf die Nase vorn. Mit einem Frauenanteil von 58,3 Prozent im Aufsichtsrat und 42,9 Prozent im Vorstand liegt das Unternehmen in allen Rankings in der Spitzengruppe. Im S-Dax für kleinere Unternehmen führen der Finanzberater MLP SE und die Parfümerie-Filialkette Douglas die Liste an.
Laut der geschäftsführenden Bundesfrauenministerin Lisa Paus (Grüne) ist die angestrebte Zielgröße von 30 Prozent in den Aufsichtsräten von rund 100 großen, deutschen Unternehmen inzwischen erreicht. Dennoch ist es noch ein weiter Weg, bis Parität selbstverständlich wird und gar nicht mehr der Rede bedarf. Deutschland liegt hier im internationalen Vergleich weit zurück.
Kleine Firmen setzen kaum auf Frauen
In den skandinavischen oder angelsächsischen Ländern sieht es deutlich besser aus in Sachen Geschlechterparität. Hierzulande spielt auch noch eine entscheidende Rolle, wie groß das Unternehmen ist und wer das Sagen hat. Je "unauffälliger" die Firma, desto weniger Frauen gibt es in der Führung, so scheint es.
Transparenz spielt eine große Rolle. Familienunternehmen haben weniger öffentlichen Druck und manchmal fehlt das Korrektiv. Je privater das Unternehmen, desto geringer der Anteil der Frauenquote.
Wiebke Ankersen, Allbright Stiftung
Das Know-how bringen Frauen allemal mit. Seit 2012 gibt es in den Studienfächern Jura und Betriebswirtschaftslehre mehr Absolventinnen als Absolventen. Frauen sind somit von der Pike auf im System drin, schaffen es in Deutschland aber oft nicht bis ganz nach oben.
Wenn sie es dann doch schaffen und zu dem geringen Teil gehören, der eine Top-Management-Position erhalten, sind sie Spitzenverdienerinnen. Frauen bekommen dann meist mehr Gehalt als ihre männlichen-Manager-Kollegen. Die Gender Pay Gap also einmal umgekehrt - eben, weil Frauen an der Spitze rar sind und sich ihre Spitzenposition dann bestens bezahlen lassen.
Der Staat ist gefragt
Was müsste sich künftig ändern, um mehr Parität in den Chefsesseln der deutschen Wirtschaft zu erreichen? In welchen Punkten sollte Deutschland nachbessern? Wiebke Ankersen von der Allbright-Stiftung sieht den Staat an drei Stellen gefragt, damit mehr Frauen in Führungspositionen kommen:
- "Erstens: Er muss flächendeckende, bezahlbare Kita-Plätze schaffen.
- Zweitens muss er das Ehegatten-Splitting abschaffen. Da bezahlt der Staat nämlich dafür, dass Frauen zuhause ihre Kinder erziehen.
- Drittens sollte das Elterngeld und die Elternzeit 50/50 aufgeteilt werden. Das Teilzeitproblem bei Frauen ist ein deutsches Phänomen. In keinem anderen Industrieland ist es der Fall."
Dr. Wiebke Ankersen, Allbright Stiftung
Zehn Jahre Führungspositionengesetz haben viel bewirkt, aber eben noch nicht alles erreicht. Nach wie vor herrscht in mancher deutschen Chefetage eine vergleichsweise konservative Unternehmenskultur.
Gender Pay Gap und Gender Care Gap
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Der Gender Care Gap beschreibt die Differenz in der Zeitverwendung von Männern und Frauen für unbezahlte Sorgearbeit, wie Hausarbeit, Kinderbetreuung und die informelle Pflege von Angehörigen. Laut der Zeitverwendungserhebung des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2022 liegt dieser Gap bei 44,3 Prozent. Im Vergleich zur Erhebung von 2012/2013, als er noch bei 52,4 Prozent lag, hat sich dieser also verringert.
Der Gender Pay Gap beschreibt den Unterschied in der durchschnittlichen Bezahlung von Männern und Frauen. Er ergibt sich aus der durchschnittlichen Differenz zwischen den Bruttostundenlöhnen aller beschäftigen Männer und denen aller beschäftigten Frauen und wird berechnet als prozentualer Anteil am Verdienst der Männer. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes haben Frauen im Jahr 2024 in Deutschland pro Stunde durchschnittlich 16 Prozent weniger verdient als Männer.
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