Warum sich Deutschland mit einem schnellen Verzicht auf russisches Gas so schwer tut - und was die sogenannte Falin-Doktrin damit zu hat. Ein Gespräch mit Energie-Experte Umbach.
Wladimir Putin nutzt für sein geopolitisches Machtstreben schon lange die Abhängigkeit des Westens von seinen Rohstofflieferungen.
ZDF: Die Ukraine fordert unlängst ein Gas-Embargo als Reaktion auf Russlands Krieg - von der EU und allen voran von Deutschland. Warum tut sich Deutschland damit bisher so schwer?
Frank Umbach: Eigentlich würden wir gerne die Ukraine noch stärker unterstützen. Da wäre der Erdgas-Importstopp sicherlich das wirkungsvollste Mittel. Auf der anderen Seite ist die energieintensive Wirtschaft - insbesondere die chemische Industrie - in Deutschland von stabilen, zuverlässigen Gaslieferungen abhängig und ein Komplettausfall würde dann auch die deutschen Lieferketten treffen. Das heißt bis in die Automobilindustrie und andere Industrien hinein und das könnte Arbeitsplätze und Industriewachstum kosten.
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ZDF: Wie zuverlässig sind denn aktuell die russischen Erdgaslieferungen? Und warum ist Europas größter Erdgasspeicher im niedersächsischen Rheden fast leer?
Umbach: Russland hat zwar die Langfristverträge im letzten Sommer erfüllt, aber hat seither nicht wie üblich die Gasspeicher aufgefüllt über kurzfristige Gasverträge. Das gilt insbesondere auch für die Gasspeicher, die von Gazprom kontrolliert werden, wie in Rheden. Man wollte damals die Bundesregierung politisch unter Druck setzen, um die Zertifizierung von Nord Stream möglichst schnell in den nächsten Monaten, noch vor Ende des Jahres abzuschließen. Das war ein politisches Druckmittel von Wladimir Putin und das hat sich fortgesetzt.
Die Chemieindustrie ist auf russisches Erdgas angewiesen. Weniger Gas würde sich negativ auf die Herstellung von Arzneimittel, Textilfasern, Kunststoffe und Dünger auswirken und hunderttausende Jobs gefährden.
ZDF: 2015 erlaubte die Bundesregierung die Übernahme des Erdgasspeichers in Rehden durch Gazprom. Wie bewerten Sie diesen Schritt?
Umbach: Gasspeicher sind das allerwichtigste Instrument für die Versorgungssicherheit bei Erdgas, vor allem in Krisenzeiten. Und die hat man dann teilweise ausgerechnet an den Konzern verkauft, der für die Gaskrisen 2006 und 2010 zwischen Russland und der Ukraine, aber auch mit anderen Staaten primär verantwortlich war.
Die Übernahme war auch deswegen fast ein Skandal, weil wir 2010 eine gemeinsame Energie- und Sicherheitsstrategie verabschiedet hatten innerhalb der EU mit deutscher Unterschrift, die ganz klar die Zielsetzung hatte, die Abhängigkeit von Russland zu verhindern.
Das ist in vielen EU-Staaten erfolgt. Doch Deutschland hat selbst nach der Krim-Annektion diese Abhängigkeit von Russland noch weiter gestärkt von etwas mehr als 40 Prozent auf 55 Prozent beim Erdgas.
Es hat schon früh Anzeichen dafür gegeben, dass Russlands Präsident Putin Gas als Waffe nutze, sagt Christian Neef, ehemaliger Spiegel-Korrespondent in Moskau und Kenner Russlands.
ZDF: Russland legt in der Energie-Politik seit Langem taktisches Kalkül an den Tag. Worauf fußt diese Taktik?
Umbach: Im allerersten außenpolitischen Konzept Russlands nach dem Zerfall der UdSSR, in der sogenannten Falin-Doktrin, war an erster Stelle die Ausnutzung energiepolitischer Abhängigkeiten als das wichtigste Instrument Russlands festgehalten worden. Das gilt für die ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten, aber eben auch für die Nachfolgestaaten der UdSSR.
2006 gab es dann den ersten russisch-ukrainischen Gaskonflikt, der eben nicht ein reiner Preis-Konflikt war, wie die Bundesregierung das wertete, sondern da ging es bereits im Kern um die Sicherheit und Souveränität der Ukraine, die von Putin in Abrede gestellt wurde. Auf der anderen Seite haben wir die deutsche Wirtschaft, die ein Interesse daran hatte, die alten, stabilen Gasbeziehungen seit den 1970er-Jahren aufrechtzuerhalten. Zudem war das Gas oft billiger als beispielsweise Flüssiggas, das auf den Weltmärkten aufgekauft werden musste.
Möglichst schnell unabhängig werden von russischer Energie - dafür setzt die Bundesregierung vor allem auf Flüssig-Erdgas. Für Deutschland ein Kraftakt.
ZDF: Hat Deutschland also Russlands Erpressungspotenzial unterschätzt? Waren wir zu naiv?
Umbach: Es zeigt sich eine gewisse Kontinuität der deutschen Politik, die einfach nicht wahrhaben wollte, dass die Ausnutzung energiepolitischer Abhängigkeiten das wichtigste geopolitische Instrument der russischen Außenpolitik war und weiterhin ist. Und das ist von deutscher Seite im Gegensatz zur Europäischen Kommission und zu zahlreichen anderen EU-Staaten immer wieder negiert worden. Es ist marginalisiert worden und man hat das heruntergespielt. Man wollte die Wirklichkeiten nicht sehen.
Das Interview führte Thadeus Parade
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