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Dreht Putin den Gashahn zu? : Deutsche Wirtschaft zittert vor Herzinfarkt

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Noch ist völlig unklar, ob in den kommenden Tagen wieder russisches Gas nach Deutschland fließt. Die Konsequenzen eines Gas-Stopps könnten allerdings drastisch sein.

Chemie-Industrie erholt sich weiter.
Die Chemie-Branche schaut mit besonders bangem Blick auf die Nordstream-1-Arbeiten: Dreht Putin den Gashahn zu?
Quelle: Uwe Anspach/dpa/Symbolbild/Archiv

Es ist wahrscheinlich die meistbeachtete Wartungsarbeit in der Geschichte der Gasförderung. Alle Blicke gehen zur Pipeline Nordstream 1. Kommt wieder russisches Gas oder kommt keines? Und wenn es kommt, dann wie viel? Fragen über Fragen - und bislang keine Antworten.

Chemie-Branche besonders besorgt

Für Malte Küper, vom Institut der deutschen Wirtschaft, ist klar: "Sollte gar kein Gas oder nur wenig Gas kommen, reicht das nicht aus, um die Speicher auf 90 Prozent zu füllen. Dann müssen weitere Einsparungen vorgenommen werden."

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Deshalb schaut man vor allem in den sogenannten energieintensiven Branchen - allen voran im Chemie- und Pharmabereich - mit noch bangerem Blick als anderswo auf die kommenden Tage. Nach eigenen Angaben ist diese Sparte mit einem Anteil von 15 Prozent größter deutscher Gasverbraucher. Arzneien, Dünger, Plastik - all das wird mit Gas als Energiequelle hergestellt. Einsparungen sind schwierig. Man versucht jetzt beispielsweise schon, mehr Vorprodukte zu importieren als früher. Aber das wird nicht reichen.

Chemie-Wirtschaft warnt vor "Herzinfarkt"

Christian Kullmann, Chef vom Verband der chemischen Industrie, warnte in der "SZ" vor einer tiefen Wirtschaftskrise:

Für den Fall eines vollständigen Gasembargos befürchte ich den Herzinfarkt der deutschen Wirtschaft, auch unserer Branche.
Christian Kullmann, Verband der chemischen Industrie

Ohne Chemie stehe Deutschland still, denn chemische Produkte würden für 90 Prozent aller Produktionsprozesse benötigt. Die Folgen für die Beschäftigten wären gravierend, es drohe "eine schlimme Krise, auch gesellschaftlich und sozial".

Beim Chemieriesen BASF bereitet man sich deshalb auch schon mal auf das Schlimmste vor. Man müsse am größten Standort Ludwigshafen die Produktion zurückfahren oder ganz herunterfahren, "wenn die Versorgung deutlich und dauerhaft unter 50 Prozent unseres maximalen Erdgasbedarfs sinkt".

Grundnahrungsmittel könnten knapp und teuer werden

Andere große Gasverbraucher schlagen ebenfalls Alarm. Glas- und Keramikindustrie, Getränkehersteller oder etwa die Nahrungsmittelproduzenten.

So rechnet der Chef von Deutschlands größtem Agrarhändler Baywa, Klaus Josef Lutz, bei einem möglichen Gasengpass damit, dass Grundnahrungsmittel knapp und teuer werden könnten. Ein Gasstopp hätte nämlich gravierende Folgen für die Lebensmittelproduktion. Ohne Gas gebe es keinen Ammoniak und keine Düngerproduktion.

Auch die Produktion von Grundnahrungsmitteln wie Fleisch, Milch und Käse wäre gefährdet, weil Gas beispielsweise zum Pasteurisieren genutzt wird.
Klaus Josef Lutz, Baywa-Chef

Oliver Holtemöller, vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), hält die "Schreckgespenster der Industrie" zwar für etwas übertrieben". Dennoch sieht er die Problematik an der "Preisfront". "Was die Industrie umtreibt, sind die Gaspreise, die sie vor der Krise bezahlt haben. Aber die werden nicht wiederkommen," sagt er. Ein weiteres Problem der hohen Preise sei, dass sie irgendwann endgültig bei den Verbrauchern ankämen - dann "sinke die Kaufkraft" und die "Gefahr einer Rezession wächst".

Millionen Arbeitsplätze betroffen

Eine Rezession hätte mit Sicherheit auch Auswirkungen auf die Beschäftigung. Laut Baseler Prognos-Institut wären von einem Gas-Stopp 5,6 Milllionen Arbeitsplätze betroffen. Oliver Holtemöller geht aber davon aus, dass es im schlimmsten Fall zu einer "Reduktion von Stunden" und "wieder mehr Kurzarbeit" kommen würde, denn: "In Zeiten des Fachkräftemangels werden sich Unternehmen drei Mal überlegen, ob sie Leute entlassen."

Vor diesem Hintergrund wäre es auch spannend zu erfahren, wer denn überhaupt noch am Gasnetz bleibt, wenn die dritte Stufe des Notfallplans Gas ausgerufen wird. Wer ist systemrelevant? Dazu fehlt noch eine klare Aussage. Die Industrie hofft auf baldige Antwort der Bundesregierung.

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