Bei wem wird der Hahn zuerst zugedreht, wenn es zum Gasmangel kommt - in der Industrie oder in privaten Haushalten? Die Wirtschaft fordert Vorrang - das sorgt für Kritik.
Nach Forderungen einer Bevorzugung der Industrie bei einem möglichen Gasmangel hat der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, davor gewarnt, die privaten Haushalte zuerst vom Netz zu nehmen.
"Ich verstehe das Anliegen, die Industrie so lange wie möglich mit Gas zu versorgen", sagte er der "Rheinischen Post". Doch Privathaushalte seien nicht nur gesetzlich geschützte Kunden, sondern eine Abschaltung der Haushalte "wäre auch mit Sicherheitsfragen verbunden".
Notfallplan und Frühwarnstufe ausgerufen
Für die zuständige Bundesnetzagentur wäre es zudem im Vorhinein auch "gar nicht möglich, eine massenhafte Abschaltung sicher zu planen". Es sei allerdings denkbar, "die Haushalte durch Auslobung von Prämien zum freiwilligen Energiesparen zu bringen", sagte Hüther.
Mit der Energiesicherheit in Deutschland hat sich diese planet-e-Doku beschäftigt:
Explodierende Gaspreise, leere Speicher, Angst vor Rationierung und Abschaltung– Putins Krieg hat Deutschlands Abhängigkeit von russischem Erdgas gnadenlos offengelegt.
Die Bundesregierung hatte kürzlich wegen des russischen Kriegs gegen die Ukraine und der damit verbundenen Diskussionen über russische Energielieferungen den Notfallplan Gas aktiviert und die Frühwarnstufe ausgerufen.
Regierung entscheidet, wer Gas bekommt
Im Fall einer Mangellage entscheidet sie darüber, wer noch wieviel Gas bekommt. Privathaushalte sind dabei ebenso geschützt wie etwa Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen.
Zuletzt waren aus der Wirtschaft aber Forderungen gekommen, die Priorisierung zu ändern. So hatte etwa Eon-Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley im "Manager Magazin" eine Abschaltung erst bei den Privaten und dann bei der Industrie ins Spiel gebracht.
Netzagentur gegen Bevorzugung von Industrie
Der Präsident der Netzagentur, Klaus Müller, lehnte eine Vorfahrt für die Industrie nun ebenfalls ab, wie er in der "Rheinischen Post" deutlich machte.
Müller mahnte, die Gruppen nicht gegeneinander auszuspielen. "Trotzdem ist die Frage legitim und notwendig, was ich in einer Gasnotlage zuhause tun kann oder muss, um Gas, CO2 und Geld zu sparen, damit unser Land insgesamt gut durch die Krise kommt", sagte er. Das gelte aber für die Industrie ebenso wie für private Verbraucher.
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