Russland fährt die Gaslieferung durch Nord Stream 1 noch einmal drastisch zurück. Der russische Konzern Gazprom senkt die Menge auf 20 Prozent der Pipeline-Kapazität.
Der russische Gaskonzern Gazprom senkt die Lieferungen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 weiter. Ab Mittwoch sollen noch 33 Millionen Kubikmeter Gas täglich durch die wichtigste Versorgungsleitung nach Deutschland fließen, teilte das Unternehmen mit. Dies entspricht in etwa 20 Prozent der Kapazität der Pipeline, die derzeitigen Liefermengen erreichen rund 40 Prozent. Grund für die Senkung sei die Reparatur einer weiteren Turbine, hieß es.
Bundesregierung zweifelt an Gazprom-Begründung
Die Bundesregierung reagierte mit Unverständnis auf die angekündigte weitere Reduzierung der Gas-Liefermengen.
Auch ein Sprecher von Siemens Energy erklärte gegenüber ZDFheute, das Unternehmen sehe keinen Zusammenhang zwischen der Turbine und den neuen Gasdrosselungen: "Der Transport der Turbine ist vorbereitet und könnte sofort starten."
Siemens Energy habe bereits Anfang letzter Woche alle erforderlichen Dokumente für die Ausfuhr von Deutschland nach Russland vorliegen und Gazprom darüber auch informiert. Es fehlten jedoch die erforderlichen Zolldokumente für den Import nach Russland, die Russland bereitstellen müsse. Die aktuelle Genehmigung der kanadischen Regierung sehe auch vor, dass weitere Turbinen von Siemens Energy in Montreal gewartet und anschließend ausgeführt werden können.
Putin hatte Drosselung angedroht
Kremlchef Wladimir Putin hatte vergangene Woche gewarnt, um den 26. Juli könne es zu einer weiteren Drosselung der Gaslieferungen über Nord Stream 1 kommen. Er hatte dabei auf von Gazprom verwendete Turbinen verwiesen. Demnach sei eine Drosselung möglich, wenn eine in Kanada reparierte Turbine nicht rechtzeitig wieder zur Verfügung stehe. Eine weitere Turbine sollte demnach um den 26. Juli herum für Reparaturen verschickt werden.
Erst am Donnerstag waren die Gaslieferungen über die derzeit wichtigste Verbindung nach Deutschland für russisches Erdgas nach einer zehntägigen Routinewartung wieder aufgenommen worden. Bereits im Juni hatte Gazprom die Lieferungen über die Pipeline auf 40 Prozent der Maximalkapazität gedrosselt und auf die zur Reparatur nach Kanada verschickte Turbine verwiesen. Die Bundesregierung hält dies für einen Vorwand.
Kreml weist Kritik an Zuverlässigkeit zurück
Kurz zuvor hatte die russische Regierung die Kritik von Bundeskanzler Olaf Scholz an der Zuverlässigkeit russischer Gaslieferungen noch zurückgewiesen. "Diese Aussagen stehen in absolutem Widerspruch zur Wirklichkeit und der Geschichte der Lieferungen", hatte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge gesagt. Er hatte zugleich angekündigt, die Gaslieferungen über Nord Stream 1 so weit zu steigern, wie das technisch möglich sei.
Energieinfrastruktur-Experte Mario Ragwitz erklärt bei ZDFheute live, was an Einsparungen und zusätzlichem Gas nötig ist, um russische Ausfälle zu kompensieren.
Russland sei nicht an der Einstellung der Gaslieferungen nach Europa interessiert. "Russland ist ein verantwortungsbewusster Gaslieferant, und was immer von der EU-Kommission, in den europäischen Hauptstädten oder in den USA gesagt wird - Russland war und bleibt das Land, das größtenteils die Energiesicherheit Europas garantiert", sagte Peskow.
Anm. d. Red.: In einer ersten Version dieses Artikels wurde Dienstag (statt Mittwoch) als Start für die neue Drosselung der Gasliefermenge genannt.
- "Wird Putin noch erleben, wie stark wir sind"
Energieminister Habeck nimmt im Umgang mit der Gaskrise die EU in die Pflicht. Man könne nicht mehr "national denken", sagte Habeck im ZDF-Interview.