Gebrauchte Autos sind aktuell teils absurd teuer, die alten Regeln scheinen außer Kraft: Woran das liegt und wann es sich wieder ändern könnte.
Irgendwie hatte man sich seit Jahren daran gewöhnt: Wer ein Auto kaufen wollte, konnte günstig zuschlagen - satte Rabatte bei Neuwagen, hoher Wertverfall gerade bei jungen Gebrauchten. Mittlerweile aber sieht der Gebrauchtwagenmarkt teils absurde Preissteigerungen. Das hat verschiedene Gründe.
Ursache 1: Weniger Zulassungen wegen Corona
Wenn Privatleute sich bei ihrer Suche nach einem Gebrauchtwagen über die aktuellen Preise nur noch verwundert die Augen reiben können, liegt das vor allem an der Entwicklung auf dem gewerblichen Markt.
"Zwei Drittel der Neuzulassungen entfallen in der Regel auf Firmenzulassungen, auf Fahrzeugflotten, Händlerzulassungen oder auch Mietfahrzeuge", sagt Martin Endlein, Sprecher des Marktbeobachters Deutsche Automobil Treuhand (DAT).
Gerade der gewerbliche Bereich ist sowohl 2020 als auch 2021 massiv eingebrochen - um bis zu 30 Prozent. 2020 vor allem coronabedingt. "Diese Fahrzeuge kommen normalerweise nach kurzer Zeit auf den Gebrauchtwagenmarkt und fehlen dort jetzt als junge Gebrauchtwagen", so Endlein.
Wegen Corona kamen im letzten Jahr kaum Neuwagen auf den Markt. Gebrauchte Autos sind im Zuge der Pandemie nun deutlich teurer geworden.
Ursache 2: Chipmangel
Ohne Chips geht heute kaum noch was in Autos. Genau das aber ist das aktuelle Problem in der Neuwagenproduktion: der Halbleitermangel. "Wegen Corona ist quasi über Nacht die Nachfrage nach IT-Ausstattung explodiert. Und das weltweit", sagt Ferdinand Dudenhöffer von CAR Center Automotive Research.
Zusätzlich habe es in der Vergangenheit noch Produktionsausfälle gegeben. Das Ergebnis ist bekannt: Manche Autofabriken stehen wegen des Chipmangels bereits still.
Ursache 3: My Car is my Castle
Auch bei diesem Trend hat Corona seine Finger im Spiel: Die individuelle Mobilität konzentriert sich wieder stärker auf das eigene Fahrzeug. "Abstand halten, Menschenmassen meiden, das ist eine ganz natürliche Reaktion auf die Pandemie", sagt DAT-Sprecher Endlein. Zwar sei die Jahresfahrleistung grundsätzlich etwas zurückgegangen, aber bei der Urlaubsreise oder auch bei kürzeren Strecken greife man aktuell lieber auf ein eigenes Fahrzeug zurück als auf die Fahrt in Bus oder Bahn.
Rund drei Millionen Neufahrzeuge kommen in Deutschland in der Regel pro Jahr auf die Straße. Nach dem großen Einbruch im Jahr 2020 werde auch 2021 das alte Niveau nicht erreicht, so Ferdinand Dudenhöffer:
Und ein Ende nicht abzusehen? "Wir gehen davon aus, dass das noch ein gutes halbes Jahr anhält, nicht weniger", so Dudenhöffer. Andere Branchenexperten sehen es sogar noch pessimistischer.
Jetzt den eigenen Gebrauchten zum guten Preis verkaufen?
Macht es jetzt vielleicht also Sinn, das eigene Fahrzeug zu verkaufen und einen guten Preis abzustauben? "Natürlich kann man gerade einen guten Preis für einen Gebrauchtwagen bekommen, aber ich muss natürlich auch ein anderes Fahrzeug kaufen können, wenn ich Ersatz benötige", so Martin Endlein.
Dies könne sogar im Neuwagenbereich funktionieren - allerdings mit Abstrichen:
"Für ein Schiebedach zum Beispiel. Das muss man dann später ergänzen lassen, wenn es wieder möglich ist." Was übrigens auch heißt: Gebrauchtwagenkäufer sollten in einigen Jahren genau hinschauen, ob an einem Fahrzeug wirklich alles vorhanden ist.
Ausblick: Wie geht es weiter?
Auto-Experte Dudenhöffer rechnet aktuell damit, dass die Preise am Gebrauchtwagenmarkt in einem dreiviertel Jahr wieder auf das Niveau vor Corona zurückgehen "oder sogar darunter fallen". Bis dahin müssen Kaufinteressenten sich mit einem aus den Fugen geratenen Markt arrangieren - ebenso wie der Handel.
"Wir merken, dass das Warenangebot täglich abschmilzt. Und im Gegensatz zu ständig sinkenden Preisen der vergangenen Jahre korrigieren wir die Preise fast täglich nach oben", sagt Wolfram Lambeck vom Einkaufsverbund EGA, dem rund 1.300 Autohändler angehören. Dies ziehe sich durch alle Segmente und herunter bis zu den Fahrzeugen, die sonst eigentlich nur noch in den Export gegangen seien.
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