Mit 30 Jahren driften die Stundenlöhne von Männern und Frauen auseinander. Ein neuer Indikator des Statistischen Bundesamts zeigt, wie Frauen am Arbeitsmarkt benachteiligt sind.
Bis morgen arbeiten Frauen rechnerisch umsonst. Ihr Stundenlohn liegt im Schnitt 18 Prozent unter dem von Männern - die Zeit vom 1. Januar bis zum Equal Pay Day am 7. März entspricht 18 Prozent des Jahres. Die Lohnlücke unterscheidet sich nach Altersklassen: Ab 30, wenn Frauen im Schnitt ihr erstes Kind bekommen, wird der Gender Pay Gap größer und steigt dann bis Ende 50 an.
Im Schnitt bedeutet das: Frauen verdienen 20,05 Euro brutto die Stunde - 4,31 Euro weniger als Männer. 2,70 Euro davon können die Statistiker erklären: Frauen wählen häufiger schlechter bezahlte Berufe, arbeiten mehr in Teilzeit und in weniger qualifizierten Jobs.
Für den Rest haben sie keine Begründung. "1,61 Euro des Gender Pay Gaps können wir nicht erklären", erklärt Leonie-Sophie Schröder vom Statistischen Bundesamt. "Der Wert könnte geringer ausfallen, wenn wir weitere Informationen, zum Beispiel zu Erwerbsunterbrechungen hätten. Man kann die 1,61 Euro also nicht mit Diskriminierung gleichsetzen."
Lohnlücke steigt mit höherem Abschluss
Auffällig ist: Der Gender Pay Gap ...
- ... steigt mit höherem Ausbildungsabschluss. Zwischen Frauen und Männern ohne Berufsabschluss beträgt die Verdienstlücke 9 Prozent, mit Berufsabschluss 14 Prozent. Bei Meistern, Fachschul- und Uni-Absolventen steigen die Werte auf mehr als 20 Prozent.
- ... ist in der Privatwirtschaft (19 Prozent) größer als im öffentlichen Dienst (6 Prozent).
- ... fällt im Westen (19 Prozent) höher aus als im Osten (7 Prozent). Laut einer aktuellen Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) liegt das unter anderem daran, dass Frauen im Osten während der Familienphase ihr Berufsleben weniger reduzieren als Mütter im Westen.
Die Kinder sind der zentrale Knackpunkt in vielen weiblichen Berufsbiografien. "Deutlich mehr Frauen als Männer arbeiten in Teilzeit", sagt Schröder. "Dies hat zum einen Auswirkungen auf den Bruttostundenverdienst, da Karrieresprünge dadurch seltener werden. Zum anderen hat ein reduzierter Stundenumfang Auswirkungen auf den Verdienst im Monat." Wenn man Teilzeit arbeitet, bekommt man weniger Gehalt überwiesen als in Vollzeit.
Neuer Indikator: Gender Gap Arbeitsmarkt
Die Ungleichheit geht also über die Stundenlohnlücke hinaus. Um das zu erfassen, hat das Statistische Bundesamt jetzt einen neuen Indikator veröffentlicht, den Gender Gap Arbeitsmarkt. Er setzt sich aus drei Faktoren zusammen:
Zum Gender Pay Gap kommt der Gender Hours Gap - Frauen sind weniger Stunden pro Monat berufstätig. Auch diese Differenz nimmt ab Anfang 30 zu, zwischen 39 und 41 ist sie am größten. Insgesamt ist der Verdienstabstand pro Stunde (18 Prozent) geringer als die Gehaltslücke im Monat (32 Prozent). Und: Frauen nehmen seltener als Männer am Erwerbsleben teil, das vergrößert den Unterschied weiter - der Gender Employment Gap.
"Berücksichtigt man Bruttostundenverdienste, Arbeitszeit und Teilnahme am Erwerbsleben, erhält man den sogenannten Gender Gap Arbeitsmarkt. Dieser liegt 2022 bei 39 Prozent", erklärt Schröder.
Frauen lassen die Männer inzwischen hinter sich - wenn es um die Bildungsabschlüsse geht. Beim Gehalt liegen sie aber weiter hinten.
Verdienstlücke im europaweiten Vergleich groß
Damit schneidet Deutschland im europaweiten Vergleich schlecht ab. Nach Eurostat-Zahlen von 2018 liegt Deutschland auf Platz fünf - nur in Italien, der Schweiz, den Niederlanden und Österreich war der Gender Gap Arbeitsmarkt größer. Am geringsten fiel er in Portugal, Litauen und Slowenien aus.
Bezieht man den Gender Hours und den Gender Employment Gap mit ein, arbeiten Frauen nicht nur bis 7. März rechnerisch umsonst. Das Datum für den Equal Day Arbeitsmarkt wäre der 22. Mai.