Raimund Röseler, Chef der Bankenaufsicht (Bafin), wehrt sich dagegen, dass seine Behörde zu spät gehandelt habe. Durch die Greensill Pleite haben Anleger Millionen Euro verloren.
Wiesbaden 20 Millionen, Köln 15 Millionen, Gießen 10 Millionen Euro - etliche Städte hatten große Summen bei Greensill angelegt. Die Bank hatte Zinsen versprochen, während andere schon längst keine mehr zahlten. Nach der Greensill-Insolvenz fürchten die Städte einen Totalverlust ihrer Anlagen. Der Bankenaufsicht wird der Vorwurf gemacht, zu spät aufgeklärt zu haben. "Wir haben richtig gehandelt", sagt Raimund Röseler, Chefaufseher der Bafin, im Interview mit ZDFheute.
ZDFheute: Erst Wirecard jetzt Greensill. Entgleitet der Bankenaufsicht der Finanzplatz Deutschland?
Raimund Röseler: Bei Wirecard gab's ein hohes Maß an krimineller Energie, sicherlich das größte Wirtschaftsverbrechen der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Das müssen jetzt Staatsanwaltschaft und Gerichte beurteilen. Ich glaube nicht, dass das jetzt ein Symptom für den gesamten Finanzmarkt ist. Das sind Einzelfälle, die zugegebenermaßen unschön sind, es sind aber Einzelfälle.
ZDFheute: Ab wann haben Sie gegen Greensill ermittelt?
Röseler: Also wir sind misstrauisch geworden im Frühjahr des letzten Jahres. Zum einen ist die Greensill Bank sehr stark gewachsen. Das Wachstum begann so um 2019, was nicht per se verwerflich ist. Wir bekamen dann aber einen Hinweis im Frühjahr von der englischen Aufsicht. Daraufhin haben wir dann eine eigene Taskforce gegründet, die selbst erst mal recherchiert hat, Wissen angehäuft hat und dann sehr schnell damit beauftragt war, einen Prüfungsauftrag zu formulieren.
ZDFheute: Was sind Ihre Erkenntnisse gewesen?
Röseler: Die Bank hat von Anfang an ganz stark gemauert. Also sie war nicht in der Lage, uns Dokumente zu liefern - Darlehensverträge, Verträge von den zugrunde liegenden Geschäften, alles das wurde uns nicht gezeigt. Das machte uns natürlich erst recht misstrauisch. Wir haben dann den Druck erhöht.
Wir haben sehr häufig mit der Bank gesprochen, haben dann sukzessive einzelne Unterlagen bekommen. Die haben wir dann auch forensisch untersuchen lassen. Also wirklich geschaut, stimmen Schriftbild, stimmt Entstehungsdatum mit dem, was uns gesagt wurde. Man hatte an manchen Stellen Zweifel.
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ZDFheute: Warum haben Sie die Städte, die bei Greensill Geld angelegt hatten, nicht früher über ihre Ermittlungen informiert?
Röseler: Ganz einfach - wir hätten uns strafbar gemacht. Wir unterliegen strengen Vertraulichkeitsregeln und wir dürfen nichts sagen. Das ist strafbewehrt.
Jeder Kämmerer, der ein bisschen recherchiert hätte, hätte ja auch gesehen, dass die Greensill Gruppe in England Probleme hatte, Wirtschaftsprüfer zu finden. Das sollte eigentlich professionelle Anleger zum Nachdenken bringen.
ZDFheute: Hat die Bafin Fehler gemacht?
Röseler: Wir haben sehr schnell gehandelt. Wir haben richtig gehandelt, wie wir im Nachhinein sehen. Natürlich, im Nachhinein muss man sagen, wir hätten uns bei der Formulierung oder bei der Vergabe des Prüfungsauftrages vielleicht noch mehr beeilen sollen. Dann hätte man zwei, drei Wochen gespart.
Kleinanleger verlieren ihr Erspartes, Fondsmanager ihre Reputation, die Finanzaufsicht ihre Glaubwürdigkeit – die Wirecard-Pleite hat ein Beben auf dem Finanzmarkt ausgelöst.
ZDFheute: Welche Lehren zieht die Bafin aus den jüngsten Bankenpleiten?
Röseler: Ja, wir gestalten die Bankenaufsicht jetzt neu.
Wir werden also noch viel stärker in die Geschäftsmodelle der Banken einsteigen, etablieren deswegen neue Einheiten für die sogenannte Fokus Aufsicht und werden das flankieren mit einer eigenen Task Force! Dann sind wir wirklich schlagkräftig.
Das Interview führte Volker Wasmuth.
- Fall Greensill: Aufsicht ohne Draufsicht?
Die Greensill Bank ist nicht mehr zu retten. Die Bafin hat Insolvenz für das Institut beantragt, das mit hohen Zinsen gelockt hatte. Wieder in der Kritik: die Finanzaufsicht.