China will beim Hamburger Hafenbetreiber HHLA einsteigen. Experten und Ministerien kritisieren die Pläne. Hat Kanzler Olaf Scholz nun trotzdem den Weg dafür freigemacht?
Trotz vieler Warnungen will das Kanzleramt den Einstieg eines chinesischen Staatskonzerns bei einem Hafenterminal erlauben. Die beteiligten Fachministerien lehnen den Verkauf ab.
Das Ringen um eine chinesische Beteiligung am Hamburger Hafenbetreiber HHLA zieht sich seit Jahren. Die chinesische Reederei und Staatsunternehmen Cosco würde gerne 35 Prozent des Containerterminals Tollerort übernehmen. Im September 2021 wurde ein Beteiligungsvertrag unterschrieben.
Der Deal hängt aber von einer Zustimmung der Bundesregierung ab - denn es geht um Deutschlands kritische Infrastruktur. Der zuständige Bundesminister Robert Habeck (Grüne) verweigert sie jedoch unter Verweis auf Chinas möglichen Einfluss.
90 Prozent unseres Warenverkehrs erfolgen über den Seeweg. Bisher gehörte Hamburg zu den handelsstärksten Häfen der Welt. Doch der internationale Wettbewerb wird immer härter.
Hat Kanzleramt Entscheidung nicht auf Tagesordnung gesetzt?
Eine Recherche von NDR und WDR wirft Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), dem früheren Ersten Bürgermeister Hamburgs, vor, er habe eine wichtige Chance verstreichen lassen, um das Geschäft noch zu verhindern.
Beim Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) läuft aktuell ein sogenanntes Investitionsprüfverfahren, das das Geschäft theoretisch untersagen könnte. Dafür muss das Bundeskabinett zustimmen. Nach Informationen von NDR und WDR habe das Kanzleramt das Prüfverfahren jedoch nicht auf dessen Tagesordnung gesetzt.
Der Kanzler, sagt Theo Koll, sei mit seiner Unterstützung für den Teilverkauf des Hamburger Hafens an einen chinesischen Konzern politisch recht einsam.
Stattdessen habe das Kanzleramt die Fachressorts damit beauftragt, nach einem Kompromiss zu suchen, damit das Geschäft doch noch genehmigt werden könnte, schreibt der NDR. Steht bis Fristablauf Ende des Monats keine Einigung und wird die Frist nicht nochmals verlängert, könnte das Geschäft trotz Bedenken freigegeben werden.
Ministerien wortkarg, Hamburg verteidigt Kooperation
Das BMWK bestätigte gegenüber ZDFheute die ablehnende Haltung von Minister Habeck dem Geschäft gegenüber. Das Prüfverfahren laufe weiterhin. "Die Entscheidung liegt jetzt beim Bundeskanzler", sagte ein Sprecher. Das Kanzleramt verwies auf Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, weshalb man sich nicht äußern könne. "Die Kabinettsthemen werden durch die vorbereitenden Staatssekretärssitzungen innerhalb der Bundesregierung beschlossen", so ein Regierungssprecher.
Wegen des Ukrainekrieges und der Pandemie kommt es im Hamburger Hafen zu Containerstaus. Der größte Hafenbetreiber blickt auf der Hauptversammlung sorgenvoll in die Zukunft.
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) verteidigt die Kooperation:
"Die großen Container-Reedereien beteiligen sich weltweit am Betrieb von Terminals, um zuverlässige Anlaufpunkte für ihre Schiffe zu haben und eine effiziente Containerlogistik auf ihren Routen zu erreichen", so Tschentscher zum ZDF. Cosco und andere Reedereien hätten bereits Beteiligungen in vielen europäischen Häfen. "Um im internationalen Wettbewerb auf der Höhe der Zeit zu bleiben, müssen auch in Hamburg Terminalbeteiligungen von Reedereien möglich sein", betonte Tschentscher. In einem Krisen- und Konfliktfall würden für den Investor keine zusätzlichen Handlungsoptionen entstehen.
Hafenbetreiber HHLA sagte dem ZDF: "Es gibt keine sachlichen Gründe, die gegen eine Freigabe der investitionsrechtlichen Verfügung sprechen würden." Von einer ablehnenden Haltung durch sechs Bundesministerien ist der HHLA nichts bekannt, hieß es in einem weiteren Statement, das mit "Hamburger Hafen wird nicht an China verkauft" überschrieben ist. Die Zusammenarbeit zwischen HHLA und Cosco schaffe keine einseitigen Abhängigkeiten.
Die Hamburger Hafen und Logistik AG hat auch das zweite Corona-Jahr erfolgreich abgeschlossen. Den größten Gewinn erzielte nicht der Umschlag, sondern die Lagerung von Containern.
Warum steht das Geschäft in der Kritik?
Alle sechs an der Prüfung beteiligten Bundesministerien hätten das Geschäft abgelehnt, schreibt hingegen der NDR. Ein Grund soll laut der Recherche sein, dass Cosco sich nicht nur finanziell beteiligt, sondern auch einen Geschäftsführer bei der Hafengesellschaft stellen würde und Mitspracherechte erhält. Mit einem Anteil von 35 Prozent hätte Cosco eine Sperrminorität.
"Es mag kurzfristige wirtschaftliche Argumente für den Einstieg Chinas beim Hamburger Hafen geben, langfristige, politisch-strategische Gründe verbieten einen solchen Verkauf", sagte der Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz dem "Handelsblatt".
FDP: Nicht naiv gegenüber China sein
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte der Nachrichtenagentur dpa:
Er warnte davor, naiv gegenüber den chinesischen Machthabern zu sein. "Die knallharten Machtinteressen, die sie verfolgen, sind nicht in unserem Interesse. Es bleibt dabei: China ist ein wichtiger Handelspartner, aber auch systemischer Rivale. Danach sollten wir handeln."
Der Kanzler, sagt Theo Koll, sei mit seiner Unterstützung für den Teilverkauf des Hamburger Hafens an einen chinesischen Konzern politisch recht einsam.
Während bei dem Projekt für Hamburg lokale wirtschaftliche Überlegungen im Vordergrund stehen, etwa gegenüber anderen Häfen nicht ins Hintertreffen zu geraten, möchte China im Rahmen seiner Seidenstraßen-Initiative langfristigen Einfluss gewinnen. Kritiker verweisen etwa auf den Hafen im griechischen Piräus, den China nach und nach übernommen hat - und wo seitdem auch chinesische Kriegsschiffe anlegen.
BND warnt vor Chinas Zugriff auf Infrastruktur
Am Montag hatte es in Berlin im Bundestag eine Geheimdienst-Anhörung gegeben, bei der es auch um die Rolle Chinas ging. Thomas Haldenwang, Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz, warnte dort explizit vor einem Szenario, wie es nun in Hamburg Realität werden könnte.
"Wir warnen (…) seit geraumer Zeit davor, dass wir uns nicht in Abhängigkeiten begeben dürfen, dass wir keine Situation zulassen können, wo vielleicht eben über kritische Infrastrukturen der chinesische Staat Einfluss auf das politische Geschehen auch in Deutschland nehmen kann", betonte Haldenwang.
- China: Werden "uns nicht entkoppeln können"
Im ZDF-Interview kündigt Außenministerin Baerbock Sanktionen gegen den Iran an. Mit Blick auf China warnt sie vor einer ähnlichen Abhängigkeit Deutschlands wie gegenüber Russland.