Besonders ärmere Haushalte in Großstädten sind weiter stark durch hohe Mieten belastet. Einer Studie zufolge hat die erhöhte Bautätigkeit die Wohnsituation kaum entspannt.
Fast jeder zweite der rund 8,4 Millionen Haushalte mit einer Mietwohnung in einer deutschen Großstadt gibt mehr als 30 Prozent seines Nettoeinkommens für die Miete aus. Das geht aus einer von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung veröffentlichten Studie hervor.
Gut ein Viertel der Haushalte muss demnach mindestens 40 Prozent des Einkommens für Warmmiete und Nebenkosten aufwenden. Knapp 12 Prozent benötigten sogar mehr als die Hälfte ihres Einkommens für die Miete.
Für die Studie wertete ein Forschungsteam um den Stadtsoziologen Andrej Holm von der Berliner Humboldt-Universität die jüngsten verfügbaren Daten des Mikrozensus aus. Die Untersuchung liefert demnach für 2018 auch detaillierte Zahlen für jede einzelne Großstadt in der Bundesrepublik.
Hohe Belastung vor allem für ärmere Haushalte
Danach ist die finanzielle Belastung der Mieter in den vergangenen Jahren zwar zurückgegangen, weil auch bei Bewohnern der Großstädte die Einkommen im Mittel stärker gestiegen seien als die Wohnkosten.
Die mittlere Belastungsquote von Mieterhaushalten sank demnach von 31,2 Prozent der Einkommen im Jahr 2001 auf 29,6 Prozent in 2018. Vor allem für viele ärmere Haushalte habe sich die Situation aber kaum entspannt, für sie sei die Miete weiter ein besonders großes finanzielles Problem.
Mietenirrsinn, Wohnungsnot, Verdrängung. Das sind Schlagworte, an denen sich heute ganz real die Wut und Verzweiflung vieler Mieterinnen und Mieter entzündet.
Die Autoren sehen deshalb eine weitere "Polarisierung" der Wohnungssituation. Auch im zeitlichen Vergleich von 2006 bis 2018 zeige sich, "dass sich die sozialen Ungleichheiten im Bereich des Wohnens verschärft und hohe Mietkostenbelastungen verfestigt haben".
Statistikamt: 14 Prozent der Bevölkerung von Wohnkosten überlastet
Auch das Statistische Bundesamt hatte die Belastung der Haushalte mit den Wohnkosten analysiert. Demnach lebten im Jahr 2019 knapp 14 Prozent der Bevölkerung (rund 11,4 Millionen Personen) in Haushalten, die von hohen Wohnkosten finanziell überlastet waren.
Eine Überbelastung bei Wohnkosten sieht die Behörde, wenn ein Haushalt mehr als 40 Prozent des verfügbaren Einkommens für das Wohnen ausgibt - unabhängig davon, ob die Betroffenen zur Miete oder in den eigenen vier Wänden leben und etwa einen Kredit abzahlen. Laut Destatis ist die Überbelastungsquote seit 2014 jedoch leicht gesunken.
Die Mietpreise steigen kontinuierlich, in manchen Großstädten explodieren sie geradezu. Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) gibt sich dennoch zufrieden mit seiner Arbeit.
Wohnungsbau verbessert Lage kaum
Die verstärkte Bautätigkeit habe die Wohnungsnot in den vergangenen Jahren allenfalls geringfügig verbessert, betonte die Böckler-Stiftung. Vor allem kleine und günstige Wohnungen fehlten, und das Angebot sei über die Jahre noch deutlich knapper geworden. Selbst unter Annahme einer optimalen Verteilung des vorhandenen Wohnraumes könnten 1,5 Millionen Haushalte nicht mit bezahlbaren und angemessenen Wohnungen versorgt werden.
Projektleiter Andrej Holm sprach sich für einen mehrgleisigen Ansatz aus, um die Situation zu verbessern. Neben Instrumenten zum Schutz der bestehenden Mietpreise solle unter anderem der soziale und gemeinnützige Wohnungsbau "mit möglichst dauerhaften Mietbindungen erheblich gestärkt werden", riet er. Ein weiterer entscheidender Schlüssel sei jedoch die Einkommenssituation der Mieterinnen und Mieter.