Die Inflation in Deutschland hat sich im Juli leicht abgeschwächt. Das zeigt eine erste Schätzung des Statistischen Bundesamts. Ist damit der Höhepunkt erreicht?
Die Inflation in Deutschland hat im Juli den zweiten Monat in Folge nachgelassen. Waren und Dienstleistungen kosteten durchschnittlich 7,5 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten mit 7,4 Prozent gerechnet, nach 7,6 Prozent im Juni.
Für Entlastung könnten der Tankrabatt und das 9-Euro-Ticket gesorgt haben. Hinzu kommt der Wegfall der Ökostrom-Umlage zum 1. Juli. In welchem Ausmaß sich die Sondereffekte genau ausgewirkt haben, lasse sich mit den vorläufigen Ergebnissen aber noch nicht darstellen, so das Statistikamt.
Unklar, ob Höhepunkt der Inflation erreicht ist
Ist damit der Höhepunkt der Inflation erreicht? LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch ist sich nicht sicher:
Es sei beispielsweise noch völlig unklar, wie sich die Energiekosten für die Verbraucher entwickelten. Im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg sind die Preise für Energie, Rohstoffe und Nahrungsmittel teils kräftig gestiegen.
Inflation könnte aus mehreren Gründen bald wieder steigen
Verbraucherinnen und Verbraucher müssen sich Ökonomen zufolge in den kommenden Monaten auf wieder anziehende Inflationsraten einstellen, auch weil 9-Euro-Ticket und Tankrabatt bis Ende August befristet sind. Nach Einschätzung von Commerzbank-Volkswirten wird die Inflationsrate im September einen Sprung nach oben machen, "sodass bis Jahresende eine 8 vor dem Komma stehen dürfte."
Ähnlich sieht das Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Im Herbst würden außerdem viele Jahresverträge der Strom- und Gaslieferanten zu stark erhöhten Bezugspreisen erneuert. "Das wird zu einer neuen Inflationsspitze führen."
- Nahrungsmittel teurer, Bahnfahrten günstiger
Energie, Lebensmittel, Freizeit: In fast allen Bereichen sind die Kosten auch im Juni gestiegen. Doch 9-Euro-Ticket und Tankrabatt wirken dem Trend entgegen.
Umfrage: Weniger Unternehmen wollen Preise erhöhen
Ab Herbst sollen Energieversorger über eine Umlage stark gestiegene Einkaufspreise wegen der Drosselung russischer Lieferungen zudem an alle Gasverbraucher weitergeben können. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) rechnet damit, dass jährlich Kosten von mehreren Hundert Euro pro Haushalt auf die Verbraucher zukommen. Die endgültige Höhe der Gas-Umlage stehe noch nicht fest.
Hoffnung macht eine aktuelle Ifo-Umfrage, wonach immer weniger Unternehmen ihre Preise erhöhen wollen. "Die Preise dürften zwar weiter steigen, allerdings wird sich das Tempo verlangsamen. Damit hat die Inflation ihren Höhepunkt voraussichtlich erreicht und wird im Verlauf der zweiten Jahreshälfte allmählich zurückgehen", sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. In der Regel schlagen sich die Preiserwartungen der Unternehmen nach seinen Angaben mit ein paar Monaten Verzögerung in den Verbraucherpreisen nieder.
Wirtschaftsminister Habeck wurde heute etwas konkreter, was die Gas-Umlage betrifft. Wie hoch sie tatsächlich sein wird, soll bis spätestens Ende August klar sein.
So hohe Inflation wie noch nie
Die hohe Inflation hat nach Angaben der GfK-Konsumforscher das Ausgabeverhalten der Menschen in Deutschland bereits spürbar verändert. Bei Gütern des täglichen Bedarfs wie Lebensmitteln oder Körperpflegeprodukten schnallen Verbraucherinnen und Verbraucher demnach den Gürtel enger. Bei Textilien werde gerne zu günstigeren Produkten gegriffen. Der Privatkonsum ist eine wichtige Stütze der deutschen Konjunktur.
Inflationsraten auf dem derzeitigen Niveau gab es im wiedervereinigten Deutschland noch nie. In den alten Bundesländern gab es ähnlich hohe Werte im Winter 1973/1974. Damals stiegen die Ölpreise infolge der ersten Ölkrise stark.