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Nach Pleiten von Hakle und Görtz:Warum erste Firmen Insolvenz anmelden
von Brigitte Scholtes
07.09.2022 | 17:44
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Lange gab es kaum Pleiten in Deutschland, jetzt melden erste Firmen Insolvenz an - wie Hakle oder Görtz. Der Auftakt einer ganzen Reihe?
Mark Branson, der Präsident der Finanzdienstleistungsbehörde BaFin, ist verwundert:
Die erste namhafte Insolvenz, die wir in diesem Jahr erleben, ist ein Hersteller von Toilettenpapier. Das ist kurios.
Mark Branson, BaFin-Präsident
Der BaFin-Chef weiter: "Ein Unternehmen, das nicht 'too big to fail' ist, leidet unter den Energiekosten, aber kommt aus einem Sektor, der vielleicht früher im Jahr nicht so stark auf dem Radar war."
Kleinere und mittlere Unternehmen betroffen
Unternehmen, die "too big to fail" sind, also systemrelevant, die hatten die Aufsichtsbehörden eher in den stark energieabhängigen Unternehmen vermutet oder eben bei Energiehändlern wie Uniper, der ja im Juli vom Staat gerettet wurde.
Die Auswirkungen der Energiekrise aber treffen gerade die kleineren und mittelgroßen Unternehmen - auch im Einzelhandel: So nennt die Schuhhandelskette Görtz mehrere Gründe für ihren Antrag auf Insolvenz: Der Ukraine-Krieg mit den Folgen steigender Energiepreise und der hohen Inflation hätte zu "enormer Kaufzurückhaltung in den Filialen und im Onlinegeschäft" geführt.
Energiepreise und indirekte Folgen
Es sind also nicht nur die Energiepreise für den Betrieb des eigenen Unternehmens, sondern auch indirekte Folgen, die den Unternehmen vor allem im Einzelhandel zu schaffen machen. Denn auch die Verbraucher müssen mehr sparen, damit sie die steigenden Energiekosten bezahlen können.
Unternehmen melden Insolvenz an, wenn sie ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen können. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie direkt ihren Betrieb aufgeben müssen. Denn zunächst sucht man nach Wegen, um die Insolvenz abzuwenden und das Unternehmen zu sanieren. Das geschieht oft in "Eigenverwaltung": Dabei bleibt die Geschäftsführung im Amt und versucht das Unternehmen neu aufzustellen. Allerdings wird sie dabei von einem "Sachwalter" kontrolliert.
Voraussetzung für eine erfolgreiche Sanierung ist natürlich die Reduzierung der Schulden. Gewähren die Gläubiger einen Schuldenerlass, eine Ratenzahlung oder eine Stundung der Schulden, können die Unternehmen diese Zeit nutzen, um wieder auf die Beine zu kommen.
Eine Bürgschaft eines zahlungsfähigen Dritten oder einer Bank kann ebenfalls helfen. Viele Firmen ziehen aber schon vor einer Zahlungsunfähigkeit die Konsequenzen und geben ihr Geschäft auf. Solche Betriebsaufgaben gehen deshalb auch nicht in die Insolvenzstatistik ein.
Voraussetzung für eine erfolgreiche Sanierung ist natürlich die Reduzierung der Schulden. Gewähren die Gläubiger einen Schuldenerlass, eine Ratenzahlung oder eine Stundung der Schulden, können die Unternehmen diese Zeit nutzen, um wieder auf die Beine zu kommen.
Eine Bürgschaft eines zahlungsfähigen Dritten oder einer Bank kann ebenfalls helfen. Viele Firmen ziehen aber schon vor einer Zahlungsunfähigkeit die Konsequenzen und geben ihr Geschäft auf. Solche Betriebsaufgaben gehen deshalb auch nicht in die Insolvenzstatistik ein.
So ist das Konsumklima, das die Nürnberger Konsumforscher der GfK monatlich erhebt, auf den tiefsten Stand seit Erhebung 1991 gefallen. Der Handelsverband Deutschland (HDE) warnte erst vor wenigen Tagen:
Die steigenden Energiekosten bringen Händlerinnen und Händler an ihre finanzielle Belastungsgrenze und schüren Existenzangst in der Branche.
HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth
Ausgesetzte Antragspflicht: Wenig Insolvenzen
Allerdings haben in den letzten Jahren trotz der Corona-Krise nur wenige Unternehmen Insolvenz anmelden müssen. Das lag aber auch daran, dass die Bundesregierung die Insolvenzantragspflicht bis Ende April 2021 ausgesetzt hatte, das galt für diejenigen Unternehmen, deren wirtschaftliche Schwierigkeiten pandemiebedingt waren.
Damit wurden die Folgen der Pandemie für die Wirtschaft abgefedert. Seither aber müssen sich die Firmen wieder selbst behaupten.
Creditreform erwartet geringes Wirtschaftswachstum
Im ersten Halbjahr verzeichnete die Wirtschaftsauskunftei Creditreform sogar einen leichten Rückgang der Unternehmensinsolvenzen gegenüber dem Vorjahr. Doch dieser Trend werde sich in der zweiten Jahreshälfte sicher ändern. Davon jedenfalls ist Creditreform überzeugt. Das Unternehmen verweist auf die konjunkturellen Rahmenbedingungen - neben den Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine die Inflation und auch die beginnende Zinswende.
Die Wirtschaft wird kaum noch wachsen. Das wird nicht ohne Folgen für die Insolvenzentwicklung bleiben.
Creditreform, Wirtschaftsauskunftei
Deutsche Bank: Kreditausfälle werden steigen
Es werde mehr Kreditausfälle geben, davon ist auch der Chef der Deutschen Bank, Christian Sewing, überzeugt. Allerdings seien die Banken inzwischen wieder stark genug, um das abzufedern.
Die Ausfälle sind verkraftbar.
Christian Sewing, Chef der Deutschen Bank
Stabile Banken als Rückhalt
Stabile Banken können zumindest die Unternehmen in diesen schwierigen Zeiten unterstützen. Doch auch sie müssten ihre Risiken genau im Blick haben, warnt BaFin-Chef Branson: Die Kreditinstitute müssten genau im Blick haben, wer unter den Preisanstiegen im Energiemarkt besonders leide, auch unter dem Blickwinkel, wer diese Preise nicht weitergeben könne oder wer eben vom Staat nicht gerettet werde: "Das ist ein anderes Paradigma für Risikochefs."
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