Sachsen-Anhalts Ministerpräsident ist zu Intel nach Dublin gereist. Dort konnte er sehen, was ihn in Magdeburg erwarten könnte, wo demnächst zwei Halbleiterfirmen entstehen sollen.
Wie in einem Seminar sitzen Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), sein Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) und Vertreter*innen der Stadt Magdeburg am Kopf einer U-förmigen Tischordnung. Die Delegation ist zu Gast beim amerikanischen Tech-Konzern Intel. Dieser hat sie auf seinen Campus in Leixlip bei Dublin eingeladen. Man will zeigen, was man kann.
"Was hier passiert ist mega," sagt Managerin Ann-Marie Holmes, die die Delegation begrüßt. Ihre Präsentation zeigt Fotos ihrer aktuellen Baustelle, dann das eines Ackers in Magdeburg.
Genau deswegen sind Haseloff und seine Delegation gekommen. Sie wollen sehen, was sie zu Hause demnächst erwartet.
Intel plant Halbleiterfabriken in Magdeburg
Ab nächstem Jahr plant Intel, in Magdeburg zwei Halbleiter-Fabriken zu bauen. Perspektivisch sollen weitere dazukommen. Produzieren sollen sie Chips für Intel-Produkte, die Automobilindustrie oder Medizintechnik. Mehrere tausend Arbeitsplätze sollen entstehen.
Vom Konferenzraum aus geht es für die Delegation - mit Warnwesten, Helmen und Sicherheitsschuhen - auf die Leixlip-Baustelle. Sie dient als Vorlage für die Pläne des US-amerikanischen Chipherstellers in Magdeburg. Haseloff macht Videos und Selfies, zeigt sich enthusiastisch: "Das ist wirklich so was von beeindruckend hier."
Besonders angetan ist er von dem Blick in den "Cleanroom" der Fabrik. Dieser Raum ist laut Intel 1.000 Mal sauberer als ein Operationssaal. Gekleidet in weiße Ganzkörperanzüge bekommen die Gäste einen Eindruck von dem Aufwand und der komplexen Technologie, die zur Chipherstellung notwendig sind.
Warum Intel nach Magdeburg kommt
So einen "Cleanroom" wird es bald wohl auch in Magdeburg geben, obwohl neue Produktionsstätten in Asien für Intel sicher günstiger gewesen wären. Doch im Rahmen des European Chips Act winken dem Konzern Subventionen. Die EU will unabhängiger werden vom asiatischen Markt und bis 2030 für 20 Prozent der weltweiten Chip-Produktion verantwortlich sein.
Auf der Suche nach einem neuen Intel-Standort in Europa konnte die Landeshauptstadt aus mehreren Gründen überzeugen:
- Genug Platz: Für die geplanten Fabriken braucht es eine 450 Hektar große Fläche - das sind 620 Fussballfelder. Magdeburg kann die bieten.
- Passende Infrastruktur: Das geplante Gewerbegebiet liegt an der Autobahn. Flughäfen sind schnell zu erreichen. Es gibt den Mittellandkanal und den Elbe-Havel-Kanal.
- Erneuerbare Energien: Intel plant, die Fabriken von Anfang an zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien zu betreiben. In diesem Bereich ist Sachsen-Anhalt gut aufgestellt.
- Politischer Wille: Die Stadt Magdeburg und die Landesregierung stehen hinter dem Projekt. Die Bereitschaft, mit Intel zusammenzuarbeiten, ist groß.
- Akademisches Umfeld: Mit der Otto-von-Guericke Universität gibt es in Magdeburg die Möglichkeit, Fachkräfte auszubilden und zu forschen. Von gemeinsamen Projekten würde wohl auch die Uni profitieren.
Warum Intel nach Magdeburg will - eine interaktive Story
- Was Intel auf diesen Acker in Magdeburg zieht
Es ist eine Mega-Investition: Für 17 Milliarden Euro will der US-Konzern Intel neue Fabriken bauen - auf einem Acker in Magdeburg. Warum ausgerechnet hier?
Kein zweite Tesla-Falle
Seit Beginn der Standortverkündung kommt die Frage auf, ob mit Intel der nächste US-amerikanische Konzern ein Prestigeprojekt nach Ostdeutschland holt und nach eigenen Regeln agiert. So wie Tesla in Grünheide in Brandenburg.
Diese Befürchtung soll tunlichst vermieden werden - dafür sorgen sowohl Intel als auch Magdeburg selbst. Hier drei Beispiele:
1. Einblicke erlaubt
Keine Frage, Intels Programm in Dublin gleicht einer großen Umarmung - von Politik und Medienvertreter*innen. Während des Besuchs der Magdeburger Delegation werden die Exklusivität des Events und Besonderheit der Technologie betont. Immerhin aber zeigt und erklärt Intel, was im Inneren ihrer Fabriken passiert.
2. Dialog mit Kritiker*innen
Trotz aller Freude über den Zuschlag steht die Politik vor einigen Hürden: Die Fläche des geplanten Industriegebiets ist Lebensraum des Feldhamsters und der Feldlerche. Die Tiere müssten den Fabriken weichen. Außerdem ist der zu erwartende Wasserverbrauch hoch und die an das Grundstück angrenzenden Gemeinden sorgen sich, dass Intel von den Gewerbesteuern befreit werden könnte.
Intel setzt dieser Kritik eine Öffentlichkeitsbeauftragte entgegen. Sie betont, wie das Unternehmen in Dublin mit Anwohner*innen im Gespräch sei, lokale Projekte unterstütze und den Naturschutz fördere. All das könne sie sich auch für Magdeburg vorstellen. Ob Kritiker*innen sich davon überzeugen lassen, bleibt abzuwarten.
Ministerpräsident Haseloff verlässt sich bei Fragen des Naturschutz auf die "hohen Standards" in Deutschland und betont: "Mit Intel haben wir einen Partner, der die gleichen Werte vertritt. Das ist es, was wir uns wünschen."
Intel entscheidet heute über eine neue Niederlassung in Magdeburg. Für 85 Milliarden Euro könnte auf über 300 Hektar eine Mega-Chipfabrik entstehen. Damit würden zehntausend Arbeitsplätze geschaffen.
3. Kein Bau ohne Genehmigung
Für Intel drängt die Zeit. Das Unternehmen will auf dem globalen Markt bestehen, mehr und zügig produzieren. Der Baubeginn in Magdeburg ist deswegen schon für Frühjahr 2023 geplant. Eine Baugenehmigung gibt es bisher aber nicht.
Ohne die aber werde es keinen Spatenstich geben, betont Haseloff. Man arbeite mit Hochdruck, alles aber müsse im geltenden rechtlichen Rahmen erfolgen. Tesla hielt sich daran nicht, verlegte in Grünheide zum Beispiel mehrere Wochen Abwasserrohre ohne Baugenehmigung.
Von Null auf Hundert
Als in der Begrüßungs-Präsentation von Intel-Managerin Holmes als Datum für den Produktionsbeginn 2026 auftaucht, sind die Politiker*innen kurz irritiert. Bisher hieß es doch, es solle 2027 losgehen. Stimmt, erwidert Holmes, darüber ließe sich nochmal sprechen.
Die Zusammenarbeit von Land, Stadt und Intel beginnt in diesen Monaten bei Null. Die Erwartungen und Hoffnungen aber sind hoch - auf beiden Seiten.
Luisa Houben ist Redakteurin im ZDF-Landesstudio Sachsen-Anhalt in Magdeburg