Die internationale Gemeinschaft trifft sich unter düsteren Vorzeichen in Washington. Der Ukraine-Krieg und die Corona-Pandemie belasten die Weltwirtschaft massiv.
Überschattet vom Ukraine-Krieg und der Corona-Pandemie treffen sich in dieser Woche die Finanzminister aus aller Welt in Washington, auch Bundesfinanzminister Christian Lindner ist dabei.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat wie jedes Jahr zur Frühjahrstagung nach Washington D.C. geladen. Aber Frühlingsstimmung mag bei der aktuellen Wirtschaftslage nicht aufkommen.
Die Auswirkungen der Pandemie seien noch nicht überwunden, sagte IWF-Chefin Georgiewa. "Und obendrein haben wir eine russische Invasion in der Ukraine, die für die Menschen in der Ukraine verheerend ist, aber auch andere Länder überall betrifft," so Georgiewa.
Wie diese Krisenstimmung in Zahlen aussieht - das zeigt der Weltwirtschaftsausblick des IWF, der am Dienstag veröffentlicht wurde. So wird in diesem Jahr weltweit mit 3,6 Prozent Wirtschaftswachstum gerechnet, 0,8 Prozent weniger als bei der vorherigen Prognose.
Für Deutschland erwartet der IWF in diesem Jahr nur noch ein Wachstum von 2,1 Prozent, das sind 1,7 Prozentpunkte weniger.
Der Krieg in der Ukraine und nach wie vor die Corona-Pandemie sind die beiden drängendsten Probleme der Wirtschaft, sagt ZDF-Korrespondent Thomas Reichart.
Russland und Ukraine leiden besonders
Besonders verheerend sind die wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges für die Ukraine. Deren Wirtschaft dürfte der Prognose zufolge um 35 Prozent schrumpfen. Die von harten westlichen Sanktionen getroffene russische Wirtschaft soll um 8,5 Prozent zurückgehen.
Bundesfinanzminister Christian Lindner reiste nach Washington, um an einem Treffen der G20-Finanzminister*innen teilzunehmen, das am Rande der Frühlingstagung stattfindet. Vor Abflug bezeichnete er die neuen Prognosen als "weiteres Warnsignal, dass es ökonomisch kein einfaches Weiter so gibt".
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Finanzminister Lindner warnt vor "Stagflation"
Weniger Wachstum in Verbindung mit steigender Inflation sei "eine gefährliche Kombination". International müsse es nun darum gehen, eine "drohende Stagflation" zu verhindern - einen Stillstand des Wirtschaftswachstums bei gleichzeitiger Inflation, mahnte Lindner.
Der Krieg in der Ukraine spitzt bestehende Probleme weiter zu: Globale Lieferketten sind Pandemie-bedingt unterbrochen.
Aktuell stehen etwa mehr als 300 Frachtschiffe vor Shanghai im Stau, um be- oder entladen zu werden. Die chinesische Wirtschaftsmetropole ist im Super-Lockdown. Der Mangel an Rohstoffen und Industrie-Produkten treibt schon länger weltweit die Preise nach oben.
Die chinesische Metropole Shanghai meldet trotz rigorosen Lockdowns seit März sieben Corona-Tote. Diese Nachricht löst dort Alarmstimmung aus.
Erst Corona-Lockdowns, dann Ukraine-Krieg: ein Domino-Effekt
"Wir hatten Pech mit den Lieferketten," erklärte David Wessel, Wirtschaftsexperte des Brookings Institute.
Wessel weiter: "Die Halbleiterknappheit zum Beispiel hat Autohersteller daran gehindert, genügend Autos herzustellen, um die Verbrauchernachfrage zu befriedigen. Wir hatten es also schon mit einem Inflationsproblem zu tun. Dann kam noch die russische Invasion in der Ukraine dazu, und der darauffolgende Anstieg der Energie- und Lebensmittelpreise."
Russland ist ein wichtiger Lieferant von Öl, Gas, Metallen und - zusammen mit der Ukraine - von Weizen und Mais. Dadurch steigen Benzin- und Lebensmittelpreise weiter. Das trifft Industrieländer wie Deutschland und die USA. Aber vor allem die Ärmsten der Welt.
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"Einige Länder hatten sowieso schon mit Ernährungsunsicherheit zu kämpfen," sagte US-Finanzministerin Janet Yellen. "Die sehen sich nun mit zusätzlichen Preiserhöhungen und Versorgungsunterbrechungen für importierte Lebensmittel, Brennstoffe und Düngemittel konfrontiert.“
Yellen warnt: Allein aufgrund höherer Lebensmittelpreise könnten mindestens zehn Millionen weitere Menschen in die Armut gedrängt werden könnten.
Inflation steigt weltweit
Der IWF rechnet in den Industriestaaten mit einer Inflationsrate von 5,7 Prozent, also 1,8 Prozentpunkte mehr als noch im Januar angenommen. In Schwellen- und Entwicklungsländern von 8,7 Prozent, ein Plus von 2,8 Prozentpunkten.
Wie die Inflation aufhalten? Diese Frage steht in Washington ganz oben auf der Agenda. Eine härtere Geldpolitik könnte auf die USA und auf die Eurozone zukommen.
Lebensmittel, Strom oder Sprit – so gut wie alles wurde teurer. Darunter leiden vor allem Menschen mit wenig Geld. In Bremerhaven geht es vielen so, die Arbeitslosigkeit ist hoch.
Strengere Politik bei Zentralbanken
"Der Internationale Währungsfonds wird die Zentralbanken dazu ermutigen, eine strengere Politik zu verfolgen, anstatt einige ihrer Beschränkungen zurückzunehmen," sagte Wessel, Wirtschaftsexperte des Brookings Institute. "Sie könnten die Zinssätze von aktuell sehr niedrigen Niveaus aus anheben."
Abschlusserklärungen könnte es diesmal womöglich keine geben. Denn der Verursacher vieler Probleme sitzt mit am Tisch. Auch Russland ist Mitglied des IWF, der Weltbank und der G20.
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Russlands Angriff auf die Ukraine dauert an. Es gibt Sanktionen gegen Moskau, Waffen für Kiew. Aktuelle News und Hintergründe zum Krieg im Blog.