Heute und morgen kommen in Lübeck die Landwirte des Landes zusammen - und diskutieren Themen wie die wachsende Inflation. Besonders die junge Generation ist jetzt gefragt.
Tjorge Humfeldt ist 18 Jahre alt. Aktuell befindet er sich als einer von 50 Auszubildenden im Kreis Bad Segeberg in Schleswig-Holstein im zweiten Lehrjahr. Er selbst stammt aus Fuhlendorf und hilft von klein auf seinen Eltern im Betrieb mit 50 Kühen und 100 Hektar Ackerfläche.
In die Landwirtschaft hineingeboren sind viele derjenigen, die diesen Beruf ausüben. Und dennoch gehört Tjorge zu den eher wenigen jüngeren, die heutzutage noch den landwirtschaftlichen Beruf ausüben.
Deutsche Landwirt*innen jünger als EU-Schnitt
Laut Rheinischem Landwirtschaftsverband sind 59 Prozent aller erwerbstätigen Landwirt*innen älter als 45 Jahre. Deutlich mehr als in anderen Berufen, in denen der nationale Durchschnitt bei 44 Prozent liegt. Dass der Beruf auch für junge Menschen attraktiv sein kann, zeigt auch Jungbäuerin Jennifer Müller.
Die 33-Jährige ist nicht nur Betriebsnachfolgerin, sondern zudem Geschäftsführerin des Landjugendverbands Schleswig-Holstein und sitzt im Ausschuss für Öffentlichkeitsarbeit des Bauernverbands des Landes. Sie findet:
Tjorge gefällt vor allem die Arbeit in der Natur und mit den Tieren.
Vielleicht sind diese positiven Faktoren ein Grund dafür, dass Deutschland in der Altersstruktur von Landwirt*innen nicht das Schlusslicht bildet. Denn die Bäuer*innen jenseits der 65 betragen in Deutschland lediglich 6,5 Prozent, während sie EU-weit rund ein Drittel der Landwirt*innen stellen. Doch auch für den Nachwuchs ist es kein einfacher Beruf.
Preisfluktuationen und Unsicherheit
Wenn bereits Verbraucher*innen in den Supermarktregalen Preisfluktuationen bemerken, dann die Landwirt*innen erst recht. Die Düngerpreise sind um das vierfache gestiegen. "Alles im Einkauf ist teurer geworden. Gleichzeitig haben sich positiverweise auch unsere Verkaufspreise erhöht, z.B. von Getreide oder Milch", beschreibt Tjorge die aktuellen Entwicklungen.
Der Ukraine-Krieg hat große Auswirkungen auf die Preise für Energie und Lebensmittel. Was heißt das für unsere Landwirtschaft? Was heißt das für die Agrarwende?
"Es ist schwierig in die Zukunft zu blicken, besonders wenn sich die Politik alle drei Monate in eine andere Richtung dreht." In seinen Ausführungen schwingt durchaus Sorge mit. "Am schwierigsten finde ich, nicht zu wissen, ob mir im nächsten Jahr die Ressourcen, wie Dünger oder Saatgut, überhaupt noch zur Verfügung stehen werden."
Auch sein Betriebsleiter erzählt von den Unsicherheiten. "Unter uns Landwirt*innen wird es Gewinner*innen wie auch Verlierer*innen geben. Das kann davon abhängen, auf welche Produkte der Betrieb spezialisiert ist, aber auch von ganz alljährlichen Abläufen, wie etwa, wann der Dünger bestellt und welche Zusicherungen bereits gegeben wurden, die nun nicht erfüllt werden können."
"Wir werden ja nicht als Landwirte geboten"
Die Ukraine-Krise und die damit verbundenen Unsicherheiten könnten auch dazu führen, dass sich einige jüngere Personen doch gegen diese Berufswahl entscheiden. "Wir werden ja nicht als Landwirte geboren. Für jede und jeden stellt sich die Frage, ob wir den elterlichen Betrieb übernehmen möchten. Was motiviert mich? Traue ich mir zu, den Betrieb zu führen? Da gehört viel Mut dazu. Und wenn wir nur zuschauen können, wie sich die Weltmärkte verändern, ohne dass wir es in der Hand haben, macht das Unmut."
In dieser Situation empfiehlt Jennifer, dass sich ihre Kolleg*innen in ihrem Selbstvertrauen stärken. "Jeder Betrieb ist anders. Besonders in solchen Krisen sollte sich jeder darauf besinnen, worin die individuellen Stärken liegen. Unternehmerisches Denken ist dabei besonders entscheidend."
Verjüngung im Verband
Werner Schwarz, Präsident des Deutschen Bauernverbands, bestärkt die jungen Bäuer*innen: "Mit meinen über 60 Jahren kann ich die Zukunftsbauern doch nicht richtig repräsentieren. Da muss frischer Wind hinein." Er selbst habe seinen Hauptbetrieb bereits an seinen Sohn abgegeben. Am Dienstag wird sein Posten im Zuge des Bauerntags neu besetzt.
Aber dies ist nicht das einzige, was es vom Bauerntag zu erwarten gibt. Auch eine Satzungsänderung steht an. Auf diese freut sich Jennifer ganz besonders. Nicht nur der Bundes-, sondern auch alle Landesverbände wollen mit dieser jünger und weiblicher werden. "Das ist wirklich eine gelungene Chance, um den Strukturwandel voranzutreiben."
Mit einer staatlichen Tierhaltungskennzeichnung will Landwirtschaftsminister Cem Özdemir die Landwirtschaft auf "kräftigere Beine stellen".
Ein Blick in die Zukunft
Was sich die jungen Bäuer*innen darüber hinaus wünschen? "Mehr Akzeptanz", so Tjorge. Die ungeregelten Arbeitszeiten stießen bei vielen Anwohner*innen auf Unverständnis. "Wenn wir nachts raus müssen, machen wir das nicht aus Spaß. Natürlich versuchen wir, nicht in Wohngebieten herumzulärmen, aber das ist eben nicht immer vermeidbar."
Das Verständnis der Jungbäuer*innen sowohl in der Zivilgesellschaft als auch Politik zu stärken, ist das Ziel vieler, die sich ehrenamtlich engagieren, und für die das Treffen der kommenden zwei Tage ein wichtiges Highlight darstellt.