Google verstößt gegen das Kartellrecht, bestätigt das Europäische Gericht. Es verwirft dabei die Argumentation von Google, den Wettbewerb vor Apples iOS zu schützen. Warum?
Großer Aufruhr im Juli 2018, als die EU-Kommission Google mit einer Rekordstrafe von 4,34 Milliarden Euro belegte. Das Europäische Gericht (EuG) bestätigt nun die Geldbuße im Wesentlichen und reduzierte sie nur leicht auf 4,125 Milliarden Euro. Google habe gegen das Kartellrecht verstoßen. Im Zentrum der Kritik: die vorinstallierte Google-Suche auf Android-Geräten. Dies beeinträchtige den freien Wettbewerb.
Google als Beschützer des Wettbewerbs?
Google hingegen sieht sich als Beschützer des Wettbewerbs und der Verbraucher. Irgendwer müsse dem Giganten Apple entgegentreten. Dessen Geräte und das Betriebssystem iOS zeichnen sich nämlich dadurch aus, mit Hardware und Systemen anderer Anbieter inkompatibel zu sein. Experten nennen iOS daher ein "geschlossenes System".
Google meint, Android sei grundsätzlich anders konzipiert: offen und innovationsfreundlich. Dass Android mit iOS konkurriert, stärke den Wettbewerb, erweitere die Auswahlmöglichkeiten der Gerätehersteller und der Verbraucher, nicht umgekehrt. Eine auf den ersten Blick bestechende Logik.
Denkt man sie konsequent zu Ende, erscheint die von Google gegen die Geldbuße erhobene Klage nachvollziehbar: Ein Angebot, das den Wettbewerb stärkt, kann nicht zugleich ein Missbrauch von Marktmacht sein - oder?
Doch, sagt das EuG, denn Googles Argumentation hinke an zwei Stellen.
Um welchen Wettbewerb geht es?
Erstens verkenne Google den relevanten Markt, so das Gericht. Der Konzern stellt auf den Markt für Smartphones (und ihre Betriebssysteme) ab. Hier hat Googles Android einen Marktanteil von 80 Prozent, der Rest gehört vor allem Apples iOS. Die Situation gleicht hier also eher einem – freilich ungleichen - Kampf zweier Giganten. Dass dieser mit harten Bandagen geführt wird, ist kein Wunder.
All das ist irrelevant, sagt die EU-Kommission, das Europäische Gericht schließt sich dem nun an. Relevant seien vielmehr der Markt für AppStores auf Android-Geräten und der Markt für Suchmaschinen auf Smartphones. Hier hat Google jeweils die volle Kontrolle.
Android-Geräte gibt es nicht ohne "PlayStore", den AppStore von Google. Um an andere Apps zu gelangen, müssen Smartphone-User also stets ein Google-Produkt benutzen. Und Apple? Mischt auf diesem Markt per Definition gar nicht mit; es geht nur um Android-Geräte. Google und Apple bzw. Android und iOS – hier also nicht im Kampf der Giganten, sondern zwei autarke "Ökosysteme", wie Google die selbst kreierte Welt aus Android-Betriebssystem und Google-Applikationen nennt.
Fast 100 Prozent der mobilen Internet-Suchen über Google
Noch deutlicher die Marktmacht bei den Suchmaschinen: Für 93 bis 96 Prozent der mobilen Internet-Suchen wird laut Webanalysen Google genutzt (Monat: August 2022). Konkurrenz-Suchmaschinen wie Yahoo oder Bing weit abgeschlagen.
Apple spielt auch auf dem Suchmaschinenmarkt keine Rolle, hat nämlich keine eigene Suchmaschine, im Gegenteil: Ebenso wie auf Android-Geräten ist die Google-Suche hier voreingestellt.
Android – nur gucken, nicht anfassen
Ein zweiter Punkt, bei dem Google nach Auffassung des Gerichts falsch liegt, betrifft die propagierte Offenheit und Innovationsfreudigkeit des Ökosystems Google/Android. Zwar sei Android formal eine "offene Quelle" (Open Source), das heißt, der Programmcode ist öffentlich zugänglich. Programmierer können ihn nutzen und eigene Zweigprodukte (sog. Forks) daraus bauen.
Das Problem nur: Derartige Zweigprodukte dürfen Smartphone-Hersteller nicht ohne Erlaubnis von Google anbieten. Open-Source meint hier also: nur gucken, aber nicht anfassen. Hierdurch werde verhindert, dass Google von Wettbewerbern ernsthaft unter Druck gerät.
Ob der Europäische Gerichtshof das genauso beurteilt, wird sich zeigen – alle rechnen damit, dass Google Rechtsmittel einlegt.
Max Kolter ist Rechtsreferendar in der Redaktion Recht und Justiz
- EU-Gericht: Milliardenstrafe gegen Google
Die Klage von Google gegen eine Milliardenstrafe der EU-Kommission ist weitgehend gescheitert. Das Gericht der Europäischen Union reduzierte die Rekord-Geldbuße allerdings leicht.