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Umbau der Industrie : Die grüne Wasserstoff-Welle rollt an

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Klimaneutraler, grüner Wasserstoff soll fossile Energieträger in der Industrie rasch zunehmend ersetzen. Experten sprechen von einer Mammutaufgabe und hohen Hürden. Ein Überblick.

In der 80ml Flüssigkeit (LOHC) sind 48 Liter Wasserstoff gebunden.
Die EU und die Bundesrepublik Deutschland investieren Milliardensummen in den Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur.
Quelle: dpa

"Wir müssen uns sputen, um unser Klima zu schützen. Denn es ist nicht mehr fünf vor zwölf, sondern eins vor zwölf": Nicht die Klimaaktivistin Greta Thunberg hat diesen Satz vor wenigen Tagen in Wiesbaden ausgesprochen, sondern der Industrievertreter Christian Schüller.

Umrüsten auf Wasserstoff bei laufender Produktion

Bis Herbst 2022 wollen Schüller und sein Team im Wiesbadener Werk des global tätigen Hygienepapierherstellers Essity eine Papiermaschine so umrüsten, dass diese zunächst 11.000 Tonnen Kohlendioxid (CO2) im Jahr einspart.

Projektmanager Schüller und Werkleiter Thorsten Becherer sprechen von einer "Weltneuheit": Denn erstmals werde an einer großen Industrieanlage während laufender Produktion schrittweise Erdgas durch umweltfreundlich erzeugten, grünen Wasserstoff ersetzt.

Der Weg in eine grüne Zukunft ist nicht leicht - besonders im Hinblick auf nachhaltige Energiealternativen. Könnte Wasserstoff die Lösung sein?

Beitragslänge:
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Das große Ziel: Eine völlig CO2-freie Produktion

Becherer betrachtet das Projekt als möglichen Grundstein einer völlig kohlendioxidfreien Papierproduktion.

Bis 2024 soll die Maschine komplett CO2-frei laufen.
Thorsten Becherer, Werkleiter Essity in Wiesbaden

So beschreibt Becherer das Ziel. Als unabdingbar erachtet Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, solche Initiativen:

Wenn wir in Deutschland das Pariser Klimaschutzabkommen einhalten wollen, müssen wir uns noch in den 2030er-Jahren vollständig von der Nutzung von Erdöl, Erdgas und Kohle verabschieden.
Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme

Gigantische CO2-Einsparpotenziale durch den Einsatz von grünem Wasserstoff sehen Experten wie Quaschning etwa in der chemischen Industrie, im Flugverkehr, der Zementproduktion und Stahlindustrie.

Auch Stahl-Riesen setzen auf grünen Wasserstoff

Zum Verständnis: Allein Thyssen-Krupp, der größte Stahlhersteller Deutschlands, ist mit jährlich 20 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß für fast drei Prozent der gesamtdeutschen CO2-Emmissionen verantwortlich.

Auch Thyssen-Krupp will mit Wasserstoff eine klimaneutralen Produktion errreichen. Dafür haben die Ingenieure dort bereits 2019 testweise damit begonnen, Wasserstoff statt Kohlenstoff zum Stahlkochen im Hochofen einzusetzen.

Inzwischen will das Unternehmen die Technologie "in den industriellen Großeinsatz" übertragen. Stahl-Konkurrent Salzgitter will mit dem gleichen Ansatz seinen CO2-Ausstoß um bis zu 95 Prozent senken.

Gigantischer Strombedarf für Wasserstoff-Produktion

Für sein grünes Stahlprojekt hat Deutschlands zweitgrößter Produzent auf dem Produktionsgelände eigens große Windkraftanlagen installieren lassen, um aus der Windenergie grünen Wasserstoff herstellen zu können.

Ein Vorgehen, das Vorbildcharakter haben könnte, denn der Energiebedarf für die Produktion des Wasserstoffs ist immens: Thyssen-Krupp rechnet vor, dass das Unternehmen allein für seinen künftigen Wasserstoffbedarf "locker über 3.000 Windräder am Laufen halten" könnte.

Europa bildet Allianz für "sauberen Wasserstoff"

Für die Industrie und Politik stellt sich die Frage: Wie können wir den Wasserstoff in großen Mengen und kostengünstig in die Fabriken bringen?

Deutschland und die EU investieren hierfür Milliardensummen in den Aufbau der Infrastruktur (siehe Faktenbox).

Zudem hat die EU die "Europäische Allianz für sauberen Wasserstoff" gegründet, in der inzwischen fast 1.500 Unternehmen, Organisationen und Ministerien verbunden sind.

Noch hohe Hürden zu überwinden

Trotz aller Initiativen sieht Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), heute noch hohe Hürden für den flächendeckenden Einsatz von grünem Wasserstoff.

Selbst wenn sofort begonnen werde die erneuerbaren Energien massiv auszubauen:

Man muss wohl eher in Zeiträumen von zehn bis 15 oder sogar 20 Jahren denken.
Claudia Kemfert, DIW

Das sagt Kemfert auf Anfrage von ZDFheute.

Schneller könnte es laut der Deutschen Energie-Agentur gehen, wenn das "erhebliche Potenzial" dezentraler Wasserstoffkonzepte genutzt werde.

Experte: Erfolg hängt am Willen der Politik

Kurt-Christoph von Knobelsdorff, Geschäftsführer der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW GmbH), sieht vor allem die Politik am Zug:

Wie schnell die Industrie in ausreichendem Maße mit grünem Wasserstoff versorgt werden kann, ist eine Frage des politischen Willens.
Kurt-Christoph von Knobelsdorff, Sprecher NOW GmbH

Er erinnert daran: "Bei grünem Strom aus Sonne und Wind hieß es noch bis in die Nullerjahre hinein, dass der immer teuer bleiben würde und daher ganz sicher nicht im großen Maßstab kommen werde." Der Durchbruch sei dann nicht wegen technologischer Innovationen gelungen, sondern durch eine zunächst "rein politische Entscheidung".

So habe das "Erneuerbare-Energien-Gesetz" im Jahr 2000 den Rahmen für die "dramatische Kostenreduktion bei grünem Strom" geschaffen.

Von Knobelsdorff ist zuversichtlich, dass der grünen Wasserstofftechnologie bei entsprechenden politischen Anreizen "innerhalb von wenigen Jahren" zum Durchbruch verholfen werden könne.

Weltkarte mit dem CO2-Ausstoß der Länder vor einer Windkraftanlage und einem Kohlekraftwerk
Grafiken

ZDFheute-KlimaRadar - Daten zum Klimawandel im Überblick 

Wie hat sich das Klima bereits verändert? Wie viel CO2 haben die Länder seit 1990 eingespart? Die wichtigsten Zahlen im KlimaRadar von ZDFheute.

von Moritz Zajonz
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