Grüner Wasserstoff statt Diesel, Kerosin und Benzin? Auch bei der Verkehrswende soll das saubere "Wundergas" zumindest Teil der Lösung sein. Noch gibt es aber Hürden und Haken.
Die Folgen von Krieg und Energiekrise mögen dramatisch sein. Der Energiewende allerdings spielen sie in die Karten. Davon sind Experten wie Prof. Christian Sattler vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) überzeugt. Das gilt auch für den oft mit Skepsis beäugten erneuerbaren grünen Wasserstoff (H2).
Der sei nun in der Krise auch "wirtschaftlich absolut konkurrenzfähig, in vielen Fällen sogar günstiger, als wenn man ihn aus dem teuren Erdgas produziert", erklärt Sattler. "Ich denke, dass wir hier eine sehr schnelle Entwicklung sehen", glaubt Sattler deshalb. Eine, auf die vor allem die Chemie- und Stahlindustrie dringend angewiesen ist, um klimaneutral zu werden.
Wasserstoff als Pkw-Kraftstoff bisher wenig effizient
Aber hat das saubere Wundergas auch das Zeug dazu, die Verkehrswende voranzubringen?
Im Tank von Autos wohl weniger. Fast alle Hersteller - Toyota und Hyundai ausgenommen - setzen mittlerweile auf E-Motoren. Der Grund:
Die Rechnung ist einfach: Bei einem Wasserstoff-Pkw bleiben am Ende nur 27 Prozent der ursprünglichen Energie übrig, bei batteriebetriebenen E-Autos liegt nach Daten von Agora Verkehrswende und Öko-Institut der Wirkungsrad dagegen bei 64 Prozent.
-
-
-
Im Moment scheint der Weg daher klar. "Wir werden sehen, wie sich das in Zukunft entwickeln wird", gibt Sattler aber zu Bedenken. Alternativen sollte man bei Pkw noch nicht kategorisch ausschließen.
Wasserstoff-Lkw und -Züge geplant
Im Fernlastverkehr ist die Zukunft für den Wasserstoff dagegen vielversprechender. Noch sind Batterien schwer, laden oft langsam und bieten für große Lkw zu kurze Reichweiten. "Daher können Wasserstoff und vielleicht auch E-Fuels hier eine wertvolle Ergänzung sein, sobald sie verfügbar werden", so Falko Ueckerdt vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK).
Daimler Trucks zum Beispiel will bis Mitte des Jahrzehnts einen großen Brennstoffzellen-Truck auf den Markt bringen. Reichweite: 1.000 Kilometer. Im Nahverkehr, in Bussen und auf den Gleisen sind Brennstoffzellen-Antriebe längst im Einsatz.
Die Deutsche Bahn will ab 2024 auch auf längeren Strecken Züge testen, die dann statt mit Diesel mit grünem Wasserstoff laufen sollen. Dazu will sie ein eigenes Produktions- und Tankstellennetz aufbauen.
Verpflichtende Quoten für E-Fuels in der Luftfahrt
Anspruchsvoller wird die Wende in der Luftfahrt. Weite Strecken sind mit reinen E-Antrieben technisch nicht machbar. "E-Fuels sind die große Option für Interkontinentalflüge", erklärt Ueckerdt. Die können herkömmlichem Kerosin beigemischt werden.
Sowohl Deutschland als auch die EU führen verpflichtende Quoten ein. Bis 2050 soll sie bei 85 Prozent liegen. Erste Produktionsanlagen entstehen bereits. Eine hat letztes Jahr im Emsland eröffnet. E-Fuels werden auf Basis von grünem H2 hergestellt. Das ist allerdings noch aufwändiger und teurer.
Grüner Wasserstoff brennt sauber. Das Öko-Gas soll die Welt vor der Erderwärmung retten. Ein Kick für den Klimaschutz? Oder ein milliardenteurer Irrweg?
Wasserstoff braucht mehr Platz im Tank
Der Flugzeugbauer Airbus arbeitet derzeit an einen Großraum-Jet, der mit Wasserstoff auch Distanzen von über 2.000 Kilometern schaffen soll. Eine von vielen Herausforderung dabei ist, dass H2 deutlich mehr Platz im Flieger braucht als Kerosin.
Auch der weltweite Aufbau der Tank-Infrastruktur könnte laut Sattler ein Problem sein. "Auf der Kurz- oder Mittelstrecke werden wir aber in jedem Fall in Zukunft auch mehr Wasserstoff sehen."
Große Pläne, aber fehlende Anlagen und Infrastruktur
Noch ist das aber Zukunftsmusik. Denn Anlagen, die größere Mengen produzieren können, fehlen noch - ebenso Pipelines, Terminals und andere Infrastruktur.
Immerhin gibt es große Pläne. Die Bundesregierung schmiedet bereits Kooperationen mit Ländern wie Norwegen oder Namibia, um dort in großen Mengen zu produzieren.
Dass die EU auf ihrem eigenen Territorium bis 2030 eine Elektrolyseur-Leistung von 100 bis 120 Gigawatt erreicht haben will, ist ambitioniert. Nach PIK-Berechnungen wäre das etwa das 500-fache der Kapazität von Ende 2021.
Grüner Kraftstoff noch zu knapp und teuer
Anders als DLR -Experte Sattler geht Ueckerdt davon aus, dass das grüne Gas auf absehbare Zeit noch knapp und teuer bleiben wird. "Die Wettbewerbsfähigkeit kann nur mit Hilfe politischer Maßnahmen hergestellt werden", sagt er.
Gemeint sind Förderungen, Subventionen und ein wirkungsvoller CO2-Preis. Und noch gebe es eine große "Implementierungslücke". Heißt: Um die Wasserstoffziele zu erreichen, müsse jetzt schnell viel mehr passieren als bisher.
Mark Hugo ist Redakteur in der ZDF-Umweltredaktion
Grafiken- Daten zum Klimawandel im Überblick
Wie hat sich das Klima bereits verändert? Wie viel CO2 haben die Länder seit 1990 eingespart? Die wichtigsten Zahlen im KlimaRadar von ZDFheute.
von Moritz Zajonz