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Lebensmittelabfälle : Wie Containern legal werden kann

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Wer aussortierte Lebensmittel aus Supermarkt-Tonnen nimmt, läuft Gefahr, sich strafbar zu machen. Landwirtschaftsminister Özdemir will das ändern. Wird Containern legal?

Ein Mann sucht aus einem Müllcontainer nach Lebensmittel, aufgenommen am 09.06.2009
Nächtlichen Containern in Berlin (Archivfoto)
Quelle: Imago

Im Jahr 2019 erregte der Fall zweier junger Frauen Aufsehen. Ein bayerisches Amtsgericht verurteilte sie zu Sozialstunden, weil sie Lebensmittel aus dem verschlossenen Abfallcontainer eines Supermarkts herausgenommen hatten.

Auch das Bundesverfassungsgericht kam den Frauen nicht zur Hilfe. Die Karlsruher Richterinnen und Richter nahmen ihre Verfassungsbeschwerden gegen die Verurteilungen nicht an. Es sei verfassungskonform, wenn der Gesetzgeber sich entschließe, "Eigentum auch in Fällen der wirtschaftlichen Wertlosigkeit der Sache mit Mitteln des Strafrechts zu schützen".

Containern ist strafbar

Diese Rechtswirklichkeit erscheint einigen mit Blick auf rund 11 Millionen Tonnen Lebensmittelabfall, die jährlich in Deutschland anfallen, unangemessen. Der Gesetzgeber könnte sie ändern, doch bislang war keine Initiative zur Entkriminalisierung erfolgreich.

2019 scheiterte ein Vorstoß aus Hamburg an den CDU-geführten Bundesländern. Sie wandten damals unter anderem Haftungsrisiken für Erkrankungen durch verdorbene Lebensmittel gegen eine Entkriminalisierung ein.

Gesetzentwurf zum legalen Containern in Arbeit

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir von den Grünen hat die Debatte nun neu aufleben lassen. In einem Zeitungsinterview sprach er sich dafür aus, Containern zu entkriminalisieren, um Lebensmittelverschwendung einzudämmen. Eine Sprecherin seines Ministeriums teilte auf ZDFheute-Anfrage mit, ein gemeinsamer Vorschlag mit dem Justizministerium sei in Arbeit.

Massenweise werden Lebensmittel weggeworfen, die eigentlich noch genießbar und haltbar sind. Das Lebensmittel-Retten - weiterhin eine Straftat.

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2 min
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Wie könnte die Entkriminalisierung des Containerns umgesetzt werden?

Boris Burghardt, Strafrechtler an der Leuphana Universität Lüneburg und Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Freiheitsrechte, die sich gegen die Strafbarkeit des Containerns einsetzt, sieht zwei mögliche Ansätze. "Einerseits könnte der Gesetzgeber durch eine gesetzliche Regelung klarstellen, dass der Diebstahlstatbestand einschränkend so zu verstehen ist, dass das Entwenden entsorgter Lebensmittel kein strafbares Unrecht ist." Dafür spricht nach Ansicht Burghardts auch die Staatszielbestimmung des Artikel 20a Grundgesetz, wonach der Staat angehalten ist, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen.

Alternativ könnte der Gesetzgeber eine große Lösung wagen und den Umgang mit Lebensmittelabfällen umfassend regeln.
Boris Burghardt, Strafrechtler an der Leuphana Universität Lüneburg

Supermärkte in Frankreich müssen Lebensmittel spenden

Eine ähnliche Regelung existiert in Frankreich, wo größere Supermärkte verpflichtet sind, nicht verkaufte Lebensmittel zu spenden oder - soweit nicht mehr verzehrbar - als Kompost der Landwirtschaft oder zur Tiermittelproduktion zur Verfügung zu stellen. Dies ließe den Grund für das Containern wegfallen.

Die Armut in Deutschland nimmt zu. Allein in diesem Jahr haben Tafeln 50 Prozent mehr Zulauf erhalten, so der Tafel-Vorsitzende Brühl. Die Tafeln sind dadurch stark überlastet, da gleichzeitig die Spenden zurück gehen.

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Verfahren können auch wegen Geringfügigkeit eingestellt werden

Schon heute haben Staatsanwaltschaften die Möglichkeit, Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen. Diese Praxis bundesweit zu vereinheitlichen, schlägt etwa die Hamburger Justizbehörde vor. Sie will den Staatsanwaltschaften durch eine Regelung in den "Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren" die Vorgabe machen, Verfahren wegen Diebstahls weggeworfener Lebensmittel aus Abfallcontainern in bestimmten Konstellationen einzustellen. Allerdings bliebe das Containern dann strafbar, würde nur regelmäßig nicht weiter verfolgt.

FAQ

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Experte: Supermärkte haften nicht für verdorbene Ware

Haftungsrisiken für Supermarktbetreiber, weil verdorbene Lebensmittel Gesundheitsschäden verursachen könnten, sieht Rechtswissenschaftler Burghardt nicht. Wer entsorgte Lebensmittel verzehre, handele eigenverantwortlich. Auch bei einer Weitergabe an Dritte sei allenfalls derjenige in der Haftung, der die entsorgten Lebensmittel wieder in Umlauf bringe.

Samuel Kirsch arbeitet als Redakteur in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz

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