Wirtschaftsverbände laufen Sturm gegen ein Lieferkettengesetz. Befürworter sehen darin einen Schritt hin zu besseren Arbeitsbedingungen in ärmeren Ländern.
Die Bundesregierung strebt ein neues Gesetz für internationale Lieferketten an. Dadurch sollen sich die Arbeitsbedingungen bei Zulieferern im Ausland verbessern.
An Beispielen mangelt es nicht. Immer wieder gibt es Fälle, in denen grundlegende Sicherheits-, Umwelt- oder Menschenrechts-Standards in globalen Zulieferfirmen deutscher Unternehmen nicht eingehalten werden. In einer Fabrik in Pakistan, in der Jeans für den Billig-Textilhändler kik hergestellt wurden, brach 2012 ein Feuer aus, in dem über 250 Näherinnen und Arbeiter ums Leben kamen.
Bisher gibt es lediglich eine Selbstverpflichtung von Unternehmen. Im Koalitionsvertrag ist aber festgehalten, dass diese durch eine gesetzliche Regelung ersetzt wird - wenn die Firmen keine Maßnahmen ergreifen, dass Umwelt- und Sozialstandards auch bei ihren Zulieferern eingehalten werden.
Wegen des Coronavirus haben Modeketten ihre Aufträge gestrichen. Für Hunderttausende ohnehin prekär beschäftigte Textilarbeiter eine Katastrophe.
Weniger als die Hälfte der Unternehmen erfüllt Anforderungen
Um das herauszufinden wurden bereits im vergangenen Jahr rund 3.000 Unternehmen befragt. Von den wenigen, die antworteten, erfüllte nicht einmal jedes fünfte die Selbstverpflichtung. Nun hat auch die zweite Befragung ergeben, dass weit weniger als die Hälfte der Unternehmen die Anforderungen an menschenrechtliche Sorgfalt in ihren Lieferketten umsetze.
Ein Lieferkettengesetz würde die betreffenden Unternehmen verpflichten zu überprüfen, ob ihre Zulieferfirmen grundlegende Rechte einhalten. "Ich denke schon, dass das notwendig ist", sagt Carsten Momsen. Der Professor ist Experte für Wirtschafts- und Umweltstrafrecht an der Freien Universität Berlin.
Momsen vertritt auch Angehörige von Opfern eines Dammbruchs in Brasilien, wo Anfang 2019 272 Menschen ums Leben gekommen sind.
Liefergesetz als "klare Vorgabe für Beschwerdemechanismen"
Befürworter eines solchen Gesetzes hoffen zudem, dass Initiativen in den jeweiligen Ländern gestärkt würden, die für bessere Arbeits-, Umwelt- oder Menschenrechtsstandards kämpfen. "So ein Lieferkettengesetz sieht auch eine klare Vorgabe für Beschwerdemechanismen vor, die einzurichten sind. Und Regeln, wie dann mit diesen Beschwerden umgegangen werden muss", erklärt Johanna Kusch von der Initiative Lieferkettengesetz. Ohne Frage wäre das nicht ohne Aufwand.
Unternehmens- und Wirtschaftsverbände sehen ein Lieferkettengesetz deswegen kritisch. Volker Treier, stellvertretender Hauptgeschäftsführer beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag sagte:
Kritiker befürchten also eine Überforderung von Unternehmen, weil sie die Lieferketten nicht bis ins letzte Detail prüfen und verfolgen könnten.
Leben mit ein paar Cent: Die Menschen, die unsere Kleidung produzieren oder das Leder für Schuhe und Taschen gerben, sind oft bitterarm. Manfred Karremann zeigt am Beispiel von Bangladesch, woher unsere Produkte kommen.
Produktion könnte zurückgefahren werden
Zudem wenden sie ein, dass dadurch auch die Produktion in den jeweiligen Ländern zurückgefahren werden, das Ganze also für die lokale Bevölkerung nach hinten losgehen könnte. So weist die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) darauf hin, dass die Produktion eines Oberhemdes 140 Stationen habe, bei komplexen chemischen Produkten könnten es mehrere tausend sein. "Das ist von Kleinen sowieso nicht zu schaffen. Dann ziehen sich viele lieber zurück", sagte BDA-Hauptgeschäftsführer, Steffen Kampeter.
Diese Sorge allerdings teilt Carsten Momsen nicht - und zwar aus einem einfachen Grund. "Das wäre nur dann der Fall, wenn in diesen Ländern die Produktionskosten sich angleichen an das Niveau in den Besteller-Ländern. Da ist der Unterschied so groß, dass das nicht ernsthaft zu befürchten ist".