800 Flüge am Freitag gestrichen:Pilotenstreik: Lufthansa scheitert mit Antrag
02.09.2022 | 16:08
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Im Tarifstreit mit den Piloten hat die Lufthansa eine juristische Niederlage erlitten. Die Lufthansa-Piloten streiken am Freitag. 800 Flüge werden gestrichen.
Wie geplant sind die Piloten der Lufthansa erneut in einen ganztägigen Streit getreten. Mehr als 800 Flüge fallen im Tagesverlauf aus, rund 130.000 Passagiere sind betroffen.02.09.2022 | 1:46 min
Die Lufthansa ist vor dem Arbeitsgericht München mit einem Antrag auf einstweilige Unterlassung des Pilotenstreiks gescheitert. Die Fluggesellschaft hatte laut Gericht am Freitag argumentiert, dass die Forderung nach einer Erhöhung der Tarifgehälter mittels eines automatischen Inflationsausgleiches ein rechtswidriges Streikziel sei. Dem folgte das Gericht nicht, die Durchführung des Streiks wurde nicht untersagt.
Allerdings betonte die 38. Kammer auch, dass die Forderung der Vereinigung Cockpit nicht unbedenklich sei. "Jedoch hätte die Deutsche Lufthansa AG ihre rechtlichen Bedenken während der bisherigen Verhandlungen äußern müssen, damit über diesen Punkt Gespräche hätten geführt werden können."
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, eine Berufung zum Landesarbeitsgericht München ist möglich.
Lange Schlangen an Lufthansa-Schaltern in Frankfurt
Der ganztägige Streik der Lufthansa-Piloten ließ am Freitag den gesamten Flugbetrieb der Airline nahezu stillstehen. Mehr als 800 Flüge mit 130.000 betroffenen Passagieren hatte die Lufthansa am Vortag vorsorglich abgesagt. Der Streik ist auf 24 Stunden beschränkt.
Ab dem Morgen fielen die ersten Verbindungen aus. Unter anderem in Frankfurt am Main und München zeigten die Anzeigetafel viele gestrichene LH-Flüge sowohl zu Zielen in Deutschland als auch ins Ausland an. In den Terminals am Frankfurter Drehkreuz war es am Freitag vergleichsweise ruhig, wie der Betreiber Fraport berichtete.
Die meisten Passagiere hatten die Flugabsagen rechtzeitig mitbekommen. An den Service-Schaltern der Lufthansa bildeten sich dennoch lange Schlangen mit Langstrecken-Passagieren, die auf Weitertransport hofften.
Fluggäste würden gebeten, sich über die Homepage der Lufthansa fortlaufend zu informieren. Auch am Wochenende könne es vereinzelt zu Ausfällen und Verspätungen kommen. Einige Flüge mussten laut Lufthansa bereits am Donnerstag gestrichen werden. Der Streik hat massive Auswirkungen in der Hauptrückreisezeit zum Ende der Schulferien in mehreren Bundesländern.
Pilotengewerkschaft fordert 5,5 Prozent mehr Geld
Die Vereinigung Cockpit verlangt nach eigenen Angaben Gehaltssteigerungen von 5,5 Prozent im laufenden Jahr und einen automatisierten Inflationsausgleich ab dem kommenden Jahr. Die Gewerkschaft hat mehr als 5.000 Beschäftigte der Kerngesellschaft wie auch der Frachttochter Lufthansa Cargo zur Arbeitsniederlegung ab 0:01 Uhr am Freitag aufgerufen.
Die Gesellschaften Eurowings und Eurowings Discover sind von dem Streikaufruf nicht betroffen und sollen planmäßig fliegen. Auch Lufthansa-Flüge von nicht-deutschen Startpunkten finden statt, sofern Flugzeuge und Crews bereits im Ausland sind.
Fluggäste müssen über Änderungen und Streichungen umgehend informiert und möglichst kostenlos umgebucht werden, so die Verbraucherzentrale Hessen.
Entscheidet sich ein Fluggast gegen eine Umbuchung, kann der oder die Reisende die Rückerstattung des Tickets beantragen. Ein innerdeutsches Ticket könne auch gegen einen Bahn-Gutschein getauscht werden, so der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft.
Nicht unbedingt. Die EU-Fluggastrechte-Verordnung sieht Entschädigungen nur vor, wenn die Airline den Flug weniger als 14 Tage vor Abflug storniert. In diesem Fall muss der Fluggast die oben genannten Möglichkeiten bekommen.
Je nach Flugdistanz haben die Passagiere außerdem Anspruch auf eine Ausgleichszahlung. Diese beläuft sich bei Kurzstrecken bis 1.500 Kilometer auf 250 Euro, bei Mittelstreckenflügen zwischen 1.500 und 3.500 Kilometer auf 400 Euro und bei Langstreckenflügen über 3.500 Kilometer auf 600 Euro.
Lufthansa hat kein Verständnis für Streik
Lufthansa-Personalvorstand Michael Niggemann forderte die Pilotengewerkschaft zur Rückkehr an den Verhandlungstisch auf. Er sagte laut Mitteilung:
Uns fehlt jedes Verständnis für den Streikaufruf der Vereinigung Cockpit.
Michael Niggemann, Lufthansa-Personalvorstand
Die Arbeitgeberseite habe ein sehr gutes und sozial ausgewogenes Angebot gemacht - trotz nachwirkender Lasten der Corona-Krise und unsicheren Aussichten für die Weltwirtschaft, so Niggemann. Laut Lufthansa würden die Forderungen der Vereinigung Cockpit die Personalkosten im Cockpit um 40 Prozent erhöhen. Zuletzt habe das Unternehmen eine Erhöhung der monatlichen Grundvergütung um pauschal 900 Euro angeboten.
Im Hintergrund schwelt zudem ein Konflikt über die künftige Konzernstrategie. Die Vereinigung Cockpit hatte sich in der Vergangenheit die exakte Zahl von 325 Flugzeugen garantieren lassen, die ausschließlich von den rund 5.000 Kapitänen und Ersten Offizieren geflogen werden durften, die dem Konzerntarifvertrag unterlagen.
Gewerkschaftssprecher: "Unsere Forderungen sind angemessen"
Matthias Baier, Sprecher der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit erklärte im ZDF, die Gehaltsfrage sei lediglich einer von 16 Forderungen im Katalog gewesen. Außerdem habe man diese Summe auch nicht explizit gefordert. Man müsse das Gesamtpaket sehen - dies sei aus Sicht der Vereinigung ausgewogen: "Unsere Forderungen sind angemessen". Zum 900-Euro-Angebot der Lufthansa sagt Maier:
Das klingt natürlich zunächst einmal richtig gut, ist aber nur ein Punkt aus unserem Forderungskatalog.
Matthias Baier, Sprecher der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit
Dass der Zeitpunkt des Streikes mit dem Ferienende zusammenfalle, bei dem viele Reisende auch mit Kindern auf die Lufthansa angewiesen seien, sei "sehr bedauerlich". Der Tarifvertrag sei am 30.06. ausgelaufen, danach habe man in zehn Verhandlungsrunden kein Ergebnis erzielt. So müsse man nun in den Streik gehen.
Neue Streiks seien bisher nicht geplant, jedoch auch nicht ausgeschlossen. "Um Arbeitskämpfe abzuwenden, muss Lufthansa ein deutlich verbessertes Angebot vorlegen", erklärte VC-Tarifchef Marcel Gröls.
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