Patriarch, Milliardär, Angstmacher: Heinz-Hermann Thiele stellt überraschend den Lufthansa-Rettungsplan in Frage. Verzockt der streitbare Großaktionär die Zukunft des Unternehmens?
Die Nerven liegen blank: Eine Woche vor ihrer Hauptversammlung hat die Lufthansa vor einem Scheitern des milliardenschweren Rettungspaketes gewarnt. Dazu Valerie Haller an der Börse.
Mit 79 Jahren hat Heinz-Hermann Thiele eine Lebensphase erreicht, in der sich viele Altersgenossen lieber auf so etwas wie Rosenzüchten konzentrieren. Ablenkung gäbe es für ihn schließlich genug. Beispielsweise besitzt Thiele in Uruguay eine große Farm mit Schafen und mehr als 10.000 Rindern. Aber statt auf gemütlichen Rückzug zu setzen, startet der Unternehmer in dieser Woche einen beispiellosen Wirtschaftskrimi.
Mehr Lufthansa-Anteile, weniger Rettungspaket
Beiläufig ließ er über ein Zeitungsinterview das Lufthansa-Management und die Bundesregierung wissen, dass er seine Anteile an der Lufthansa auf 15 Prozent aufgestockt habe. Und als wäre diese Überraschung nicht schon ausreichend, flocht Thiele in das Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" noch deutliche Kritik am Rettungspaket ein. Denn die Beteiligung des Bundes, so Thiele, könnte die Sanierung der Lufthansa erschweren.
Prompt forderte die Lufthansa ihre Aktionäre auf, sich zur außerordentlichen Hauptversammlung am kommenden Donnerstag zahlreich und rechtzeitig anzumelden. Kein Wunder, denn die Fluggesellschaft fürchtet, dass Heinz-Herrmann Thiele den Rettungsplan blockieren könnte, wenn andere Aktionäre nur schwach vertreten sein werden.
Bundesregierung und EU-Kommission haben sich auf Hilfen in Milliardenhöhe geeinigt. Lufthansa verliert am Münchner und Frankfurter Flughafen 24 Start- und Landerechte.
Der berüchtigte Selfmade-Milliardär
Läutet Thiele also einen Machtkampf bei der Lufthansa ein? Wesensfremd wäre das für ihn jedenfalls nicht. Blicken wir zurück. Thiele wird 1941 in Mainz geboren, studiert Rechtswissenschaft und beginnt seine Laufbahn in der Patentabteilung des Traditionsunternehmens Knorr-Bremse. Er arbeitet sich hoch bis ins Management und landet einen Coup, als das Unternehmen in Schwierigkeiten gerät: Thiele nutzt die Gunst der Stunde, leiht sich Geld und übernimmt das Unternehmen.
Heute ist Knorr-Bremse Weltmarktführer für Lkw- und Zugbremsen. Später steigt Thiele beim Bahntechnik-Konzern Vossloh ein. Jetzt ist Lufthansa an der Reihe. Heinz Hermann Thiele gehört zu den 100 reichsten Personen auf diesem Planeten mit einem geschätzten Vermögen von rund 14 Milliarden Euro. Ein echter Selfmade-Milliardär.
Die Lufthansa ist wegen der Corona-Krise angeschlagen und muss Kosten senken. Sie plant den Abbau von rund 22.000 Vollzeitstellen. Doch die Gewerkschaften wollen für die Arbeitsplätze kämpfen. Piloten bieten bereits 45% Lohnverzicht an.
Was hat Thiele mit der Lufthansa vor?
Nur Freunde hat sich Thiele als Investor und Unternehmer nicht gemacht. Sein Führungsstil gilt als autoritär. Mit den Gewerkschaften steht er auf Kriegsfuß. Anfang der Neunzigerjahre verlässt er den Arbeitgeberverband, weil ihm die Tarifverträge für die Sanierung der Knorr-Bremse nicht passen.
Thiele will jetzt die Konditionen des Lufthansa-Rettungspakts nachverhandeln. Viele fürchten, es ginge um Kostendruck. Aber was genau hat der Unternehmer mit der Lufthansa vor? Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen, hat Helmut Schmidt der Nachwelt geraten. Thiele hat Visionen, aber er wird zur Hauptversammlung gehen. Über sein Abstimmungsverhalten allerdings hat er bislang Stillschweigen bewahrt.