SAP führt einen "Focus Friday" ein. Möglichst keine Meetings an Freitagen, lautet die Devise. So sollen die Beschäftigten ihr Stresslevel senken - und fokussiert arbeiten können.
Der legere "Casual Friday" entstand ursprünglich in den USA und setzte sich bis heute in vielen Unternehmen auf der Welt durch. Der neueste Schrei könnte aus Walldorf kommen. Dort führt die Softwareschmiede SAP ab dieser Woche den "Focus Friday" ein. Der steht für einen möglichst konferenzlosen Freitag. Cawa Younosi, der SAP-Personalchef für Deutschland schrieb in einem Brief an die Beschäftigten in Walldorf und an anderen Standorten des Konzerns in Deutschland:
"Stöhnen unter der Meetingkultur"
Dabei streicht das Unternehmen heraus, dass es sich nicht um ein striktes Meeting-Verbot handele. Vielmehr könnten Meetings auch an Freitagen stattfinden, die aus betrieblichen Gründen notwendig sind. Doch soll die ungestörte und fokussierte Arbeitszeit die Möglichkeit bieten, Aufgaben erfolgreich vor dem Wochenende abschließen zu können. Modelle von konferenzlosen Tagen oder Phasen im Arbeitsalltag wurden in den vergangenen Jahren von Unternehmen bereits vereinzelt ausprobiert. Das Interesse der Unternehmen liegt auch darin, die Produktivität der Beschäftigten zu steigern.
Florian Kunze sagte gegenüber ZDFheute:
Er ist Leiter des Future of Work Lab an der Universität Konstanz und beschäftigt sich mit gegenwärtigen und Zukunftsthemen der Arbeitswelt. "Was ich in meinen Forschungsergebnissen sehe ist, dass viele Beschäftigte schon sehr stöhnen unter der Meetingkultur, gerade in großen Organisationen. Die waren schon vor Corona sehr häufig und jetzt, durch das mobile Arbeiten, hat das an Intensität teilweise noch mal zugenommen.
Alternative Arbeitsgestaltung zunehmend wichtig
Bei SAP will man den möglichst Meeting-freien Freitag nun ein Jahr testen. Nach erfolgreicher Pilotphase will SAP das Konzept dann global ausrollen. Dann könnten über 105.000 der SAP-Beschäftigten in mehr als 140 Ländern vom "Focus Friday" profitieren.
Dieser Wandel in der Arbeitswelt dürfte nicht bei SAP haltmachen. Angesichts der Transformation der Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind Spezialisten aus der IT-Branche rege gefragt, in vielen Bereichen fehlt es an Fachkräften. Hannes Zacher, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Leipzig sagte:
Trend dürfte sich verstetigen
Florian Kunze und sein Team beobachten diesen Wandel systematisch. Vor allem die Erfahrungen durch die Pandemie und das Arbeiten von zu Hause aus haben dem Nachdenken über alternative Arbeitsmodelle einen Schub gegeben. "Wir gehen jetzt in eine neue Phase, in das Hybride arbeiten, also eine Mischung zwischen Präsenzarbeit und mobilem Arbeiten", stellt er fest.
Und da der Fachkräftemangel nicht nur auf die IT-Branche beschränkt ist, sondern auch andere Wirtschaftsbereiche und deren Unternehmen händeringend nach ausgebildetem Fachpersonal suchen, dürfte dieser Trend sich verstätigen.
Zumal bereits vor der Pandemie Arbeitsmarktforscher*innen festgestellt hatten, dass die jüngeren Generationen, die nun in den Arbeitsmarkt strömen, teilweise erheblich andere Vorstellungen von einer gelungenen Mischung aus Arbeit und Freizeit haben. Ein 40-Stunden-Job mit andauernder Präsenzpflicht am Arbeitsplatz lehnen viele von ihnen ab.
- Einsparpotenzial? Eine Menge Luft nach unten
Digitalisierung ist gut und schön - aber sie hat auch ihren Preis: Immer mehr Geräte verbrauchen Strom und verursachen so weitere Kosten. Einige davon lassen sich drücken.
Andere könnten SAP folgen
Allerdings heißt das Konzept bei SAP nun auch wieder nicht, den Freitag quasi zu einem freien Tag zu machen. Zwar sollen Meeting möglichst vermieden werden; allerdings wäre das nicht gleich Freizeit, sondern eben Zeit für fokussiertes Arbeiten. Florian Kunze: "Ich glaube es ist sehr wichtig, über solche "Deepwork"-Phasen systematisch nachzudenken; Phasen, in denen man wirklich fokussiert arbeiten kann und Meetings in anderen Bereichen des Tages liegen oder geblockt werden. Und ich denke, dass es aufgrund dieses prominenten Beispiels viele Nachahmer geben wird".