Einziger Solarzellenhersteller Europas droht mit Verlagerung
Exklusiv
Wandert Solarfirma nach USA ab?:Grüner kritisiert Ampel wegen Subventionskurs
von Florian Neuhann
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Europas einziger Hersteller von Solarzellen mit Werk in Sachsen-Anhalt droht mit Verlagerung in die USA. Grund: massive US-Subventionen. Das bringt Kritik an der Bundesregierung.
Es ist eine Drohung, die es in sich hat. Man erwäge, schreibt die Firma Meyer Burger in einem Brief an Finanzminister Christian Lindner (FDP), die Projekte für den weiteren Ausbau der Solarfertigung in Deutschland abzubrechen - und stattdessen in den USA zu investieren. Der Brief liegt ZDFheute exklusiv vor. Weiter heißt es:
Hausnummer in Deutschland
Der Absender ist nicht irgendwer. Das schweizerische Unternehmen Meyer Burger ist der einzige Hersteller überhaupt, der Solarzellen industriell in Europa fertigt - und zwar in Thalheim in Sachsen-Anhalt. Aktuell 350 Mitarbeiter stellen dort täglich 800.000 so genannte Halb-Zellen her.
Längst geplant ist der weitere Ausbau der Solarzellenfertigung: Von aktuell 1,4 Gigawatt pro Jahr auf 3,4 Gigawatt bis Ende 2024. Und bis 2027 sollte sich, so der Plan, die Produktion sogar im Vergleich zu heute verzehnfachen - auf rund 15 Gigawatt pro Jahr.
"Europa verzockt seine Zukunft"
Die Verlagerungs-Gedanken von Meyer Burger rufen Kritik an der Bundesregierung hervor. Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, sagt ZDFheute:
Bloss weiter "Die Frage, wo in Zukunft Solar- und Windkraftanlagen, Wärmepumpen und Elektrolyseure produziert werden, muss leider so beantwortet werden: Nicht in Europa."
"Wenn man Wirtschaft subventionieren muss auf Dauer, heißt das, man macht Verluste", sagt der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest:
Doch die USA locken mit Milliarden-Subventionen
Den Ausbau in Deutschland stellt das Unternehmen gegenüber dem ZDF erstmals öffentlich komplett infrage. Der Grund sind die massiven Subventionen, mit denen die USA locken - über den so genannten "Inflation Reduction Act", das milliardenschwere Subventionsprogramm, das US-Präsident Joe Biden im vergangenen Jahr ins Leben gerufen hatte.
Das Programm knüpft die Subventionen an eine Bedingung: dass in den USA produziert wird. Baut ein Unternehmen dort ein Werk, sind die Fördergelder massiv: "Für ein Gigawatt Solarzellen und Solarmodule in den USA erhält man pro Jahr 110 Millionen Dollar - bis zum Jahr 2029", rechnet der Vorstandschef von Meyer Burger, Gunter Erfurt, im Interview mit ZDFheute vor.
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Eigentlich wollte die EU die Solarindustrie nach Europa zurückholen
Sollte die Firma ihre Drohung wahrmachen, wäre das ein herber Rückschlag für ganz Europa. Erst in diesem Frühjahr hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ehrgeizige Ziele vorgestellt - mit dem "Net Zero Industry Act". Bis 2030 sollten 40 Prozent der grünen Schlüsselindustrien, darunter die Solarbranche, in Europa produzieren. Aktuell importiert Europa nach Angaben der EU-Kommission gut 90 Prozent der für Solarmodule nötigen Produkte aus China.
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Auch der Chip-Hersteller Infineon droht mit Verlagerung
Doch im Wettbewerb mit den Milliarden-Subventionen aus den USA droht Europa nun, den Kürzeren zu ziehen. Erst heute berichtet die "Financial Times", dass auch der deutsche Chip-Hersteller Infineon erwäge, Teile seiner Produktion in die USA zu verlegen. Grund auch hier: die Subventionen aus den USA. Infineon stellt später gegenüber ZDFheute klar: Eine Verlagerung von Produktion aus Europa sei nicht vorgesehen. [Infineon kontaktierte ZDFheute nach Erscheinen dieses Artikels mit der Klarstellung. Anm. d. Red.]
Sowohl bei Infineon als auch beim Solarzellenhersteller Meyer Burger ist die Entscheidung indes noch nicht gefallen. Damit Meyer Burger weiter in Sachsen-Anhalt investiere, sei aber eine Anschubfinanzierung von "zunächst einigen hundert Millionen Euro" erforderlich, so Vorstandschef Gunter Erfurt im ZDF-Interview.
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Zweite Chance für ausrangierte Solarmodule:
Risiko Subventions-Wettlauf?
Will hier ein Unternehmen mit der Drohung, in die USA abzuwandern, weitere Subventionen lockermachen? Tobias Gehrke von der angesehenen Denkfabrik "European Council on Foreign Relations" sagt, natürlich bestehe das Risiko eines Subventionswettlaufs. Aber:
Auf den Brief an das Finanzministerium hat Meyer Burger bisher übrigens keine Antwort bekommen. Auf eine entsprechende ZDF-Anfrage äußerte sich das Ministerium nur knapp: Einzelne Schreiben kommentiere man nicht, federführend für Beihilfen sei das Wirtschaftsministerium. Das wiederum sagt, man sei grundsätzlich offen für eine Förderung - könne aber zum Einzelfall nichts sagen.
Genug europäische Fördergelder
Aus Kreisen des Finanzministeriums ist zusätzlich zu hören: Es bestehe kein Mangel an Fördergeldern auf europäischer Ebene. Man setze sich stets für bessere Wettbewerbsbedingungen ein.
Ob das Unternehmen aber mit Fördergeldern des Bundes rechnen kann, bleibt fraglich. In Berlin laufen derzeit schließlich die Haushaltsverhandlungen. Und die sind bekanntermaßen alles andere als einfach.