Rechenzentren gelten mitunter als Stromfresser. Dabei können sie mit ihren Speicherreserven einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten.
Nur mit einem enorm flexiblen Stromnetz kann die Energiewende gelingen. Wenn die Sonne gerade nicht die Photovoltaikanlagen bedient und der Wind gerade nicht die Windräder antreibt, muss dennoch genügend Leistung ins Netz geliefert werden.
Rechenzentren statt Gaskraftwerke
Außerdem müssen Leistungsspitzen ausgeglichen werden. Denn wenn Industrie und Haushalte gerade viel Strom benötigen, werden heute zusätzliche Kraftwerke hochgefahren. Künftig werden wir noch viel häufiger mit solchen Leistungsspitzen konfrontiert werden, meinen Energieexperten. Zum Beispiel, wenn am frühen Abend die Akkus der Elektroautos an den häuslichen Stromtankstellen aufgeladen werden.
Hier können Rechenzentren helfen, indem sie Strom zwischenspeichern, wenn Sonne und Wind viel produzieren, und wieder ins Netz zurückgegeben, wenn gerade mehr Leistung benötigt wird. "Rechenzentren statt Gaskraftwerke", lautet das Motto.
Der Beitrag der Rechenzentren kann äußerst bedeutsam werden. Das hat eine Studie von BloombergNEF, Eaton und Statkraft ergeben. Die Forscher haben genauer analysiert, welche Stromreserven Rechenzentren schon jetzt vorhalten.
Serverfarmen und Supercomputer beziehen ihren Strom aus den öffentlichen Netzen. Sie müssen also auf kurzfristige Schwankungen und Ausfälle in der Stromversorgung schon heute reagieren. Kommt es zu erheblichen Schwankungen oder kurzfristigen Ausfällen, sorgen Schwungräder und Pufferbatterien dafür, dass der Rechenzentrumsbetrieb ungestört weiterlaufen kann.
Batterien und Notstromaggregate als Puffer
In der Regel können damit Ausfälle von 15 oder 30 Minuten gut überbrückt werden. Fällt der Strom über längere Zeit aus, springen derzeit in vielen Rechenzentren noch dieselbetriebene Notstromaggregate an.
Das könnte schon heute genutzt werden, meint Michael Kennefick, Analyst bei BloombergNEF und einer der Autoren der Studie über Rechenzentren als Energiespeicher. "Ihre eigenen Energieressourcen, wie unterbrechungsfreie Stromversorgung und Notstromgeneratoren könnten in Zukunft zur Unterstützung des Netzes eingesetzt werden", erläutert Kennefick.
[Lesen Sie hier: Wie sicher ist die Stromversorgung?]
Immer mehr konventionelle Notstromaggregate werden durch Batteriesysteme für die Notstromversorgung der Großrechner, Supercomputer und Serverfarmen ersetzt. Der Energiedienstleister Eaton hat bereits sehr erfolgreich Projekte mit recycelten Autobatterien durchgeführt. Die werden in ihrem zweiten Leben als Notstromreserve eingesetzt.
Rechenzentren vergleichbar mit Microgrids
Die von den Rechenzentren in Deutschland, Irland, den Niederlanden und Großbritannien benötigte Stromleistung wird nach Berechnung der Studienautoren im Jahr 2030 bei knapp sechs Gigawatt liegen. Zudem wird dann der Anteil der Wind- und Solarenergie an der gesamten Stromerzeugung in Europa bei ungefähr 60 Prozent liegen.
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Dabei könnten die Rechenzentren eine sogenannte Flexibilitätsreserve von knapp 17 Gigawatt Leistung bereitstellen (zum Vergleich: ein mittleres Atomkraftwerk hat eine Nennleistung von rund 1,5 Gigawatt). Pilotprojekte bei Microsoft, Google, Amazon, Digiplex oder Basefarm, die sich die Analysten angeschaut haben, zeigen, wie es gehen könnte. Ohne Umbau kämen die Rechenzentren mit der heutigen Energieinfrastruktur nur auf knapp 4 Gigawatt.
"Mit ihren großen Kapazitäten an Batteriespeichern sind solche Rechenzentren dann vergleichbar mit Microgrids", meint Astrid Hennevogl-Kaulhausen vom Energiedienstleister Eaton. Microgrids sind lokal abgegrenzte Stromnetze. Werden die geschickt untereinander vernetzt, erreichen die Stromnetze die Flexibilität, die sie für die Energiewende haben müssen.
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