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Munition statt Autoteile:Rüstungsindustrie als Jobmotor?
von Dennis Berger
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Kriege und Krisen sorgen für eine hohe Nachfrage nach Rüstungsgütern: Die boomende Rüstungsindustrie könnte die Konjunktur in Deutschland anschieben. Wird die Branche zum Jobmotor?
Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs und anderer Krisen und Konflikte boomt die deutsche Rüstungsindustrie. Und US-Präsident Donald Trump zeigt Europa in Sicherheitsfragen die kalte Schulter - ein weiterer Schub für den militärischen Wirtschaftszweig, sagen Experten. Sie versprechen sich von den Entwicklungen konjunkturelle Lichtblicke.
Munition statt Autoteile
Der Rüstungskonzern Rheinmetall aus Düsseldorf ist seit Jahren auch Autozulieferer. Denn lange war die Nachfrage zum Beispiel der Bundeswehr nach Waffen und Munition mau.
Nun will Rheinmetall seine Werke in Berlin und Neuss umwidmen: Wo der Konzern derzeit Autoteile produziert, soll künftig auch Rüstung hergestellt werden. Weil die Nachfrage stark wächst, sagt Rheinmetall-Vorstandschef Armin Papperger dem ZDF. Der Auftragsbestand ist sehr hoch und werde noch zunehmen.
Wir gehen davon aus, dass wir Ende des Jahres etwa 80 Milliarden Euro Auftragsbestand haben.
Armin Papperger, Rheinmetall
Das hat auch Folgen für den Arbeitsmarkt. Der niederländische Panzerbauer KNDS will dieses Jahr in Deutschland seine Belegschaft um 600 Mitarbeiter aufstocken. Der deutsche Rüstungskonzern Hensoldt bietet Mitarbeitern des Autozulieferers Continental die Übernahme an, wenn sie von Werksschließungen betroffen sind.
Rheinmetall stellt nach eigenen Angaben Tausende neue Mitarbeiter ein. In den letzten drei Jahren habe man jährlich zwischen 6.000 und 8.000 Mitarbeiter eingestellt, sagt Papperger. "Und das Ganze wird die nächsten Jahre so weitergehen."
Rheinmetall: Viele Branchen profitieren
Das "indirekte" Personal sei noch wichtiger und ein Arbeitsmotor für Deutschland, sagt der Rheinmetall-Chef. Die Düsseldorfer könnten dieses Jahr Aufträge in Höhe von etwa fünf bis sechs Milliarden Euro an kleine und mittelständische Unternehmen vergeben. Wenn Rheinmetall in Deutschland 20.000 Leute beschäftige, dann würden es in Summe noch mal dreimal so viel sein für die Zulieferer, rechnet Papperger vor.
Es ist tatsächlich eine Jobmaschine und wir gehen davon aus, dass etwa 80.000 Menschen in Deutschland davon leben können.
Armin Papperger, Rheinmetall
Aus der Auto- in die Waffenfabrik
Eine Erhöhung der deutschen Rüstungsausgaben in Richtung drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts bedeute einen halben Prozentpunkt mehr Wirtschaftswachstum, sagt der Ökonom Ulrich Kater. Allein in der Industrie würden dadurch etwa 100.000 Arbeitsplätze geschaffen oder gesichert, heißt es in einer Studie der Dekabank und der Unternehmensberatung EY.
"Wir müssen immerhin im Hinterkopf haben, dass im letzten Jahr etwa 100.000 Arbeitsplätze verloren gegangen sind in der deutschen Industrie", sagt Kater. Höhere Verteidigungsausgaben könnten insgesamt 200.000 neue Jobs entstehen lassen. Dies ist das Ergebnis einer Simulation des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Insbesondere, wenn die staatlichen Ausgaben schuldenfinanziert sind und die Steuern dafür nicht erhöht werden.
Raus aus der Schmuddelecke?
Demonstrationen vor den Werkstoren, Beschimpfungen als Kriegstreiber - Mitarbeiter der Rüstungsunternehmen haben es schwer. Doch ein Imagewechsel deutet sich an: Rüstung wird immer mehr als essenziell für die Sicherheit des Landes wahrgenommen.
"Wir waren definitiv in der Schmuddelecke. Viele Leute haben uns da reingezwängt", sagt Papperger. "Jetzt ist das nicht mehr so. Ich hoffe, dass es nachhaltig ist, und ich glaube aber, dass man merkt, dass diese Industrie hilft, unsere Bevölkerung zu schützen."
Im letzten Jahr hätte Rheinmetall mehr als 200.000 Bewerbungen gehabt, sagt Papperger: Viele Mitarbeiter der Automobilindustrie bewerben sich demnach bei Rheinmetall.
Rheinmetall und Co. waren auch bei Investoren lange tabu. "Die globale Sicherheitslage hat die Bedeutung von Rüstungs- und Verteidigungsausgaben fundamental verändert", sagt Dekabank-Vizechef Matthias Danne. Und jetzt greifen die Anleger zu: Innerhalb von fünf Jahren hat sich der Wert der Aktie von Hensoldt verdreifacht und der Wert der Rheinmetall-Aktie verzehnfacht.
Dennis Berger ist Redakteur im ZDF-Team Wirtschaft und Finanzen.
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