Nachdem das russische Unternehmen Gazprom Bulgarien den Gashahn zugedreht hatte, gibt sich das Land kämpferisch. Der Premierminister will sich "der Erpressung nicht beugen".
Sonnig, um die 20 Grad ist es heute in Bulgariens Hauptstadt Sofia. Die Bulgaren genießen es, auf den Café-Terrassen zu sitzen. Es ist für sie ein guter Tag für eine schlechte Nachricht: Russland stoppt die Gasversorgung für Bulgarien. Das Land ist zu 90 Prozent von russischem Gas abhängig. Aber einer der Hauptverbraucher sind die Heizkraftwerke – und die Heizperiode endet ja sowieso gerade.
Bulgariens Premierminister: Gas-Stopp "ein Vertragsbruch"
Man hat es außerdem erwartet: Seit Putin im März verlangte, russisches Gas mit Rubel zu bezahlen, hat sich auch Bulgarien darauf vorbereitet, dass es zum Gas-Stopp kommen könnte. "Wir werden uns der Erpressung nicht beugen", sagte Premierminister Kirill Petkov heute nach einer Sondersitzung seines Kabinetts.
Die Verträge sehen Zahlungen in Euro oder Dollar vor, betont er, der Gas-Stopp sei "ein Vertragsbruch". Bulgarien überprüfe deshalb alle Verträge mit Gazprom, inklusive solcher über Gas-Transit durch Bulgarien, denn einseitige Erpressung lasse er nicht zu.
Das ist eine Anspielung auf eine Transit-Pipeline durch Bulgarien, die zu den Russland-Freunden Ungarn und Serbien führt. Man sei nicht machtlos, soll diese Drohung heißen, auch weil Bulgarien auf die Solidarität der EU-Partner zählen könne und weil man schon bald Alternativen habe.
Bulgarien baut neue Gaspipeline mit Griechenland
Denn Bulgarien baut schon seit Längerem mit Hochdruck mit Griechenland an einer neuen Zubringer-Pipeline: Ab September dieses Jahres soll der sogenannte "Interconnector" aserbaidschanisches Gas über Griechenland nach Bulgarien bringen – es sei sogar billiger als das russische Gas, verspricht der bulgarische Premierminister Kirill Petkov bei einem Ortsbesuch im März auf der Baustelle. "Das heißt weniger Preisdruck, weniger Inflation", verspricht er. Doch das ist noch Theorie: Noch sind höhere Gasliefermengen aus Aserbaidschan nicht ausgehandelt.
- So befeuerte die BASF unsere Gas-Abhängigkeit
Dass Deutschland so abhängig von russischem Gas wurde, liegt auch an der BASF. Der Chemie-Riese hat enge Verflechtungen mit Gazprom - unterstützt von mehreren Bundesregierungen.
Die neue Zubringer-Pipeline hätte die Kapazität, den größten Teil des Gasbedarfs Bulgariens zu transportieren. Sie ermöglicht langfristig auch Gaslieferungen von Übersee: Im griechischen Hafen Alexandroupolis wird ein LNG-Terminal gebaut. Doch wann der fertig ist, ist unklar.
Neue Regierung in Bulgarien muss sich nun bewähren
Es gibt nur wenige Länder in der EU, die stärker von russischem Gas abhängig sind als Bulgarien. Die Vorgänger-Regierung unter Ministerpräsident Borrisow fuhr einen betont Russland-freundlichen Kurs, besonders in der Energie-Versorgung. Im Dezember dieses Jahres wäre Bulgariens Gas-Liefervertrag mit Gazprom sowieso ausgelaufen. Zur Zeit rechnet niemand mit einer Neuauflage.
Bulgarien muss sich nun anders versorgen – dieser Punkt kam schneller als erhofft, aber nicht unerwartet für die noch junge Regierung im Amt. Sie muss sich nun bewähren, genau wie die ganze EU: Gelingt die schnelle Umorientierung, gelingt es vor Herbst Alternativen zu organisieren für etwa sieben Millionen Bulgaren, wäre das ein wirtschaftlicher, sozialer und politischer Sieg für Petkov und auch für die EU.
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