Trotz Milliardeneinnahmen durch den Verkauf von Gas und Öl scheint Russland erste Auslandsanleihen nicht mehr bedienen zu können. Das liegt auch an EU-Sanktionen.
Nicht gezahlte Verzugszinsen auf eine Dollar-Anleihe bringen Russland an den Rand des ersten Zahlungsausfalls seit der Russischen Revolution vor mehr als einem Jahrhundert.
Mit ein Grund sind die Sanktionen der Europäischen Union. Sie nahm zuletzt einen Zahlungsabwickler auf die rote Liste, den Moskau für die Bedienung seiner Eurobonds nutzen wollte.
Russland ist in den vergangenen 100 Jahren wiederholt in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Bislang konnte das Land einen Zahlungsausfall stets abwenden, doch diesmal könnte das misslingen.
Warum steht Russland vor dem Zahlungsausfall?
Ungewöhnlich ist, dass Russland nicht wegen fehlender Mittel in einen Zahlungsausfall schlittert. Das Land verfügt über hohe Devisenbestände und nimmt monatlich Milliarden durch Exporte von Öl und Gas ein.
Die rund 40 Milliarden US-Dollar an ausstehenden Auslandsanleihen - mit etwa zwei Milliarden US-Dollar an Zahlungen, die bis zum Jahresende fällig sind - sollten also leicht zu stemmen sein.
Allerdings ist das Land durch die Sanktionen des Westens als Reaktion auf den russischen Einmarsch in die Ukraine weitgehend vom internationalen Zahlungsverkehr abgeschnitten. Zudem ist ein Teil seiner Währungsreserven eingefroren.
Eine Ausnahmeregelung, die es US-Eigentümern russischer Staatsanleihen ermöglichte, Zahlungen zu erhalten, ist nun abgelaufen. Das treibt Russland in die Pleite, indem es den Weg blockiert, auf dem Zahlungen die Bankkonten der Anleihegläubiger erreichen würden.
Warum funktionieren Zahlungsalternativen nicht?
Russland sucht den Ausweg, indem es Gläubiger angewiesen hat, in der russischen Devise Rubel oder in anderen harten Währungen als dem Dollar zu bezahlen und dabei die westliche Zahlungsinfrastruktur zu umgehen.
Finanzminister Anton Siluanow schlug vor, das den europäischen Gaskunden auferlegte Rubel-Konvertierungszahlungssystem zu kopieren. Dabei eröffnen die Gläubiger Konten bei einer russischen Bank und zahlen in anderen Währungen als dem Dollar.
Der Plan hätte es Russland jedoch nicht ermöglicht, einem Zahlungsausfall auszuweichen, da US-Investoren nicht in der Lage gewesen wären, sich zu beteiligen. Und am Freitag verhängte die Europäische Union Sanktionen gegen Russlands National Settlement Depository, das die Anleihezahlungen abwickeln sollte.
Welche Rolle spielen Zinsen?
Als offiziell zahlungsunfähig könnte Russland Ende Juni gelten. Fraglich ist nämlich, ob Zinszahlungen, die Russland eigenen Angaben zufolge am 27. Mai angewiesen habe, wegen der Sanktionen auch bei den Anleihegläubigern ankommen.
Konkret geht es um Zinszahlungen in Höhe von 71,25 Millionen US-Dollar und 26,5 Millionen Euro (umgerechnet 28 Millionen US-Dollar). Um einen Zahlungsausfall abzuwenden, muss das Geld innerhalb einer Nachfrist von 30 Tagen auf den Konten landen.
- Was Sanktionen gegen Russland bewirken
Die westlichen Sanktionen treffen vor allem die russische Bevölkerung, weniger die Oligarchen. Experten sind skeptisch, dass Putin seinen Kurs ändert - auch wenn das Land leidet.
Einen Anfang April fälligen Bond hatte Russland erst kurz vor Ablauf der Nachfrist am 2. Mai zurückgezahlt. Da dabei aber Verzugszinsen über 1,9 Millionen Dollar unberücksichtigt blieben, hatten Gläubiger den Fall dem Investoren-Komittee CDDC vorgelegt.
Das Gremium stufte Russland daraufhin bereits als säumigen Zahler ein. Dadurch können Käufer von Zahlungsausfall-Versicherungen ihren Schaden bei Anbietern dieser sogenannten Credit Default Swaps (CDS) geltend machen.
Welche Folgen hätten russische Zahlungsausfälle?
Russland ist bereits von den globalen Finanzmärkten abgeschnitten. Abgesehen von Reputationsschäden hätte ein Zahlungsausfall weitere Konsequenzen. So könnten Gläubiger vor Gericht ziehen, um Russlands Auslandsvermögen zu beschlagnahmen.
Außerdem droht ein langer und kostspieliger Prozess zur Restrukturierung ausgefallener Schulden, sollten sich Russland und der Westen in Zukunft wieder annähern. Ein Staatsbankrott erhöht in der Regel langfristig die Kreditkosten und könnte Russland somit noch jahrelang teuer zu stehen kommen.
- Deutsche Banken frieren 142.990.409,35 € ein
Im Zusammenhang mit den EU-Sanktionen gegen Russland haben deutsche Banken fast 143 Millionen Euro eingefroren. Im Vergleich zu anderen Ländern ist das nicht viel.