RWE steigt 2030 aus Kohle aus: Was steckt dahinter?

    Kohleausstieg 2030 in NRW:"Dreckiger Deal" oder Weg zu Klimaschutz?

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    von Ralph Goldmann
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    Acht Jahre früher als geplant will RWE die Verstromung der Braunkohle beenden. Der Weiler Lützerath soll aber abgebaggert werden.

    Wut ist das bestimmende Gefühl der Klima-Aktivisten und Kohlegegner an diesem Vormittag im kleinen Weiler Lützerath am Rande des Braunkohletagebaus Garzweiler.

    Kohleausstieg 2030 statt 2038

    Wut auf die Grünen, im Land und im Bund. Wegen einer Entscheidung, die sich seit dem Regierungswechsel in Nordrhein-Westfalen hin zu Schwarz-Grün angedeutet hatte und jetzt verkündet wurde. So soll die Braunkohleverstromung im Rheinischen Revier statt erst 2038 schon 2030 zu Ende gehen. "Das ist ein guter Tag für den Klimaschutz", jubelte entsprechend Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen).
    Eine Sprecherin der Klimabewegung "Fridays for Future" nannte die Äußerung hingegen "zynisch". Denn Lützerath soll abgebaggert werden. Er hoffe, dass die Entscheidung "von der Klima- und Umweltbewegung weitgehend akzeptiert wird", sagte Habeck noch und schob hinterher: "Denjenigen, die sich aktivistisch für den Klimaschutz einsetzen, gebührt viel Anerkennung und Dank."
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    Aktivisten enttäuscht von den Grünen

    In Lützerath sorgte das für noch mehr Wut. Hier haben sie zwar mit der Entscheidung gerechnet, dennoch sei sie "ein harter Schlag", sagt Aktivistin Mara Sauer am Mittag beim Besuch des ZDF im Protestcamp. Den Regierungen habe man schon lange nicht mehr getraut.
    Vor allem die Grünen hätten schon sehr oft gezeigt, dass sie, "ihre Ideale und ihre Versprechen verraten, wenn sie an der Macht sind". Der Kohleausstieg 2030 komme zu spät. Das sei schon lange in der Diskussion gewesen. Das jetzt als Erfolg zu verkaufen, sei "einfach nur fake" und "läppisch", sagt Ronni Zepplin, Sprecherin der Initiative "Lützerath lebt!".

    Lange beschlossen - jetzt umgesetzt

    Dabei war das Ende des Weilers von der jetzigen und früheren Landesregierungen und den Gerichten längst beschlossen. Die ehemaligen Bewohner wurden seit 2006 umgesiedelt. Der letzte verbliebene Landwirt hatte vor einer Woche seinen Schlüssel an RWE übergeben und war ausgezogen. Die Aktivisten blieben.
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    NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Die Grünen) versuchte am Vormittag, das - aus ihrer Sicht - Positive in den Vordergrund zu stellen. Sie erklärte das Aus für Lützerath mit der Versorgungssicherheit nach Russlands Angriff auf die Ukraine. Man brauche die Kohle unter dem Ort. Aber: "Wir erhalten dafür eine politische Verständigung, acht Jahre früher aus der Kohle auszusteigen."
    Bei Fridays for Future klingt das so: "Das grüne Wirtschaftsministerium hat hinter verschlossenen Türen mit dem fossilen Konzern RWE einen dreckigen Deal verhandelt."

    Auch Krieg in der Ukraine spielt eine Rolle

    Dabei ist RWE schon längst auf dem Weg zum grünen Stromerzeuger. Windkraft und Photovoltaik werden weiter ausgebaut, das Ende der Braunkohleverstromung vorgezogen. 280 Millionen Tonnen bleiben dadurch in der Erde und werden die CO2-Bilanz nicht weiter verschlechtern. Und fünf Ortschaften am nordwestlichen Rand des Tagebaus bleiben erhalten.
    Der Weiler Lützerath aber nicht. Denn zwei Kraftwerksblöcke von RWE sollen, so die Vereinbarung, erst im März 2024 vom Netz gehen und nicht - wie ursprünglich geplant - schon Ende des Jahres. Die Kohle werde benötigt, "um die Braunkohlenflotte in der Energiekrise mit hoher Auslastung zu betreiben und gleichzeitig ausreichend Material für eine hochwertige Rekultivierung zu gewinnen", teilte RWE mit.

    Aktivisten wollen nicht aufgeben

    Der Konzern könnte jetzt jederzeit damit beginnen, in Lützerath Bäume zu fällen und Baumhäuser abzureißen. Es ist eine Frage der Zeit, wann die ersten Bagger anrücken. "Was uns jetzt noch bleibt, ist einfach hier zu sein und uns dem entgegenzustellen", sagt Mara Sauer im Protestcamp.
    Bilder wie im Hambacher Forst 2018 will aber niemand wiedersehen. "Protest ist akzeptabel, Kritik ist in Ordnung, aber es sollte immer friedlich und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen ablaufen", so der Appell von RWE-Vorstand Markus Krebber. Die Menschen in Lützerath stellen sich auf eine baldige Räumung ein und haben bereits mit der Mobilisierung begonnen. Es könnte ein Protest-Herbst werden.

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