Saatgutzucht: Vier Konzerne dominieren globalen Markt

    Saatgutzucht:Wer bestimmt, was auf unseren Tellern landet?

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    Die eine große Liebe: Die Deutschen und ihre Kartoffeln. Aber: Im Wesentlichen bestimmen Großkonzerne, was auf den Teller kommt. Das sorgt für Widerstand.

    Zwei Hände halten Kartoffeln auf einem Feld.
    Kartoffeln sind in Deutschland eine der beliebtesten Gemüsesorten - der Markt dahinter wird von vier Großkonzernen bestimmt.
    Quelle: imago

    Für unsere Liebe zur Kartoffel sind wir Deutschen bekannt. Fast 60 Kilogramm isst jeder von uns pro Jahr. Am liebsten mögen wir die Knolle formschön, mit glatter Schale, leicht zu waschen und im Geschmack leicht süßlich. Eine Kartoffelsorte, die all diese Kriterien erfüllte, war die "Linda". 1974 bekam sie die Zulassung vom Bundessortenamt und wurde schnell zu einer der beliebtesten Knolle in Deutschland.
    Doch Mitte der 2000er Jahre nahm der Saatgutkonzern Europlant seine Sorte vom Markt. Das löste einen heftigen Protest bei Verbrauchern und Landwirten aus. Für den Kartoffelbauern Karsten Ellenberg ging es beim Streit um die "Linda" damals und heute um noch mehr. Denn er stellte die Frage: "Wer bestimmt eigentlich, was auf unseren Tellern landet?"
    Im „Explainer-„Format “Nochmal von vorn” schauen wir hinter die Kulissen von aktuellen Entwicklungen. Die Folge über die Kartoffel- und Saatzucht ist ab jetzt exklusiv in der ZDF-Mediathek:
    Nochmal von vorn - Saatgut
    Die Zucht und Herstellung von Saatgut ist Sache von einigen wenigen Unternehmen. Welchen Einfluss haben sie auf das, was auf unseren Tellern landet? Und warum ist das möglich?19.10.2022 | 16:52 min

    "Kartoffel-Patent" für 30 Jahre

    Juristisch gesehen durfte Europlant die Produktion der Kartoffel einstellen, weil der Konzern im Besitz des Sortenschutzes war und so eine Art Patent auf das genetische Material der Pflanze hatte. Und das gilt für 30 Jahre. Kurz vor dem Ende dieses Schutzes ließ das Saatgutunternehmen die Produktion der "Linda" auslaufen.

    • Wird eine neue Obst- oder Gemüsesorte beim Bundessortenamt angemeldet und zugelassen, kann dafür im gleichen Moment auch der Sortenschutz angemeldet werden.
    • Je nach Pflanzenart währt der Sortenschutz 20-30 Jahre
    • In dieser Zeit gehört die Sorte allein dem Unternehmen, welches die Pflanze entwickelt und angemeldet hat. Möchten Landwirte das Saatgut vermehren, muss zusätzlich zum Kaufpreis auch eine Lizenzabgabe an den Züchter gezahlt werden.
    • Anders als beim klassischen Patent können Züchter weiterhin auf das genetische Material zugreifen, um dieses weiterzuentwickeln.

    In Deutschland handeln insgesamt 130, überwiegend mittelständische, Betriebe mit Saatgut - die Hälfte davon forscht und arbeitet an neuen Züchtungen. Schaut man sich den weltweiten Saatgutmarkt an, trifft man auf eine besondere Marktkonzentration. Lediglich vier Großunternehmen teilen 60 Prozent der globalen Saatgutherstellung unter sich auf.

    Kreuzungen von Saatgut führt zu Abhängigkeit der Landwirte

    Die sogenannten "Big Four" sind Bayer-Monsanto, Corteva, ChemChina und Limagrain. Ihre Dominanz entstand nach vielen Übernahmen kleinerer Saatgutfirmen, aber auch durch die Entwicklung von Hybridsaatgut. Dabei werden Sorten künstlich miteinander gekreuzt, um resistentere und ertragreichere Sorten herzustellen. Die müssen Landwirte dann allerdings immer nachkaufen und werden so noch abhängiger von Großkonzernen.
    Aber auch die Fusion von Chemie- und Agrarbetrieben spielt hierbei eine wichtige Rolle. Die Schweizer NGO Public Eye hat den weltweiten Agrarmarkt untersucht und die Ergebnisse in dem Bericht "Agropoly" veröffentlicht.

    Ein Problem ist, dass die vier größten Saatgut-Unternehmen auch die vier größten Pestizid Unternehmen weltweit sind.

    Carla Hoinkes, Referentin für Landwirtschaft bei Public Eye

    Carla Hoinkes, Referentin für Landwirtschaft bei Public Eye, erklärt: "Sie beherrschen beide Geschäftsfelder. Es ist zumindest naheliegend, dass sie Saatgut entwickeln werden, dass auch ihre Pestizide im Anbau benötigt”.
    Heißere Sommer und weniger Niederschläge machen den Landwirten in Deutschland zu schaffen. Doch die Klimaerwärmung birgt auch Chancen. So gedeihen hierzulande inzwischen ganz neue Pflanzen, zum Beispiel Süßkartoffeln - zeigt planb:
    Kartoffeln frisch vom Feld
    Ob gepellt oder gedämpft, aus der Pfanne oder dem Backofen, als Pommes oder Krokette: Die Deutschen lieben Kartoffeln und verspeisen pro Kopf fast 60 Kilo jedes Jahr.17.02.2024 | 29:47 min

    Artenvielfalt bei Kartoffeln geht zurück

    Als Folge der Marktkonzentration ist die Artenvielfalt inzwischen weltweit rückläufig, auch bei den Kartoffelsorten. Doch dank des Engagements von Verbrauchern und Landwirten können einige alte Sorten weiterhin bestehen. Auch "Linda" konnte gerettet werden: 2009 ließ der Bauer Karsten Ellenberg die Pflanze in Großbritannien züchten und bat bei den dortigen Behörden um eine Zulassung für den britischen Markt. Diese wurde stattgegeben.
    Damals galt noch laut europäischem Recht: Was in Großbritannien erlaubt ist, muss auch europaweit zugelassen werden - also auch in Deutschland. So gelang es Ellenberg, auch eine Zulassung beim deutschen Bundessortenamt durchzusetzen. Seither steht dem lizenzfreien Anbau von "Linda" nichts mehr im Wege, man kann sie überall in Deutschland erwerben. Neben der "Linda"-Knolle züchtet Ellenberg auch viele weitere alte Kartoffelsorten zum Erhalt der Artenvielfalt.

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