Interview
Ökonomen vermissen Einsparungen:Wie kam es zum Sondervermögen?
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Union und SPD wollen noch im alten Bundestag ein milliardenschweres Sondervermögen durchbringen. Ausgearbeitet haben den Plan Ökonomen. Nicht alle sind zufrieden mit der Umsetzung.
Bei den Dimensionen kann einem schwindlig werden. 500 Milliarden Euro für Infrastruktur, gestreckt über zehn Jahre, und eine noch unbekannte Summe für Verteidigung. Und das zusätzlich zu den normalen Investitionen in Straße und Schiene. Eine Reform der Schuldenbremse und die Länder dürfen noch mehr Schulden machen.
Die Zeiten, als gleich drei ranghohe Saarländer an Merkels Kabinettstisch saßen, sind zwar Geschichte, doch jetzt zog wieder einmal das Saarland entscheidende Fäden im Hintergrund. Ausgerechnet der saarländische Finanzminister fädelte den XXL-Schuldencoup ein.
Jakob von Weizsäcker, gut vernetzter Ökonom, SPD-Mitglied und derzeit saarländischer Finanzminister, stammt eigentlich aus Heidelberg. Nach Stationen bei der Weltbank und im thüringischen Wirtschaftsministerium entwickelte er als einer der Ersten ein Konzept für Euro-Bonds. Gemeinschaftsanleihen der EU also, die allerdings von der deutschen Politik abgelehnt werden. 2019 machte ihn Olaf Scholz, damals Bundesfinanzminister, zu seinem "Chefvolkswirt".
Lagerübergreifende Koalition von Ökonomen
Kurz nach der Bundestagswahl brachte von Weizsäcker vier renommierte Ökonomen zusammen: Clemens Fuest (Präsident des Ifo-Instituts), Michael Hüther (Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft), Moritz Schularick (Präsident des Kieler IfW) und den Düsseldorfer Ökonomen Jens Südekum, der Mitglied in der SPD ist.
Ziel war es, Ideen für eine Reform der Schuldenbremse und einen Weg für höhere Verteidigungsausgaben zu entwickeln. Das Besondere: Hier versammelte sich eine lagerübergreifende Koalition von Ökonomen - gerade deshalb waren die Vorschläge wohl so glaubwürdig für die Verhandler sowohl von SPD, als auch Union.
Fuest: Konkrete Einsparungen nötig
Das Empfehlungspapier der Runde wurde zur Grundlage für die Vorschläge, die CDU und SPD kommenden Donnerstag noch dem alten Bundestag vorlegen werden. Mit der nötigen Zweidrittelmehrheit soll das Grundgesetz entsprechend geändert werden, um den Weg zu einem 500 Milliarden Euro schweren schuldenfinanzierten Infrastrukturfonds und einer von der Schuldenbremse losgelösten Finanzierung der Bundeswehr, sofern die Ausgaben über ein Prozent der Wirtschaftsleistung hinausgehen, zu ebnen. 90 Prozent der Vorschläge seien Wirklichkeit geworden, jubelte der Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum, als CDU-Chef Friedrich Merz die Pläne vor der Presse verkündete.
So recht glücklich sind aber nicht alle beteiligten Ökonomen über das, was letztlich im Sondierungspapier landete. Nicht alle Forderungen wurden übernommen. Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts, der sich mit Kritik aus Teilen der Union konfrontiert sieht, gar als Umfaller bezeichnet wird, bemängelt, Ausgabenkürzungen würden zwar pauschal angesprochen, konkret aber nur Mehrausgaben genannt.
Es ist dringend notwendig, Ausgaben zu kürzen, weil die Mehrausgaben für Verteidigung nicht dauerhaft mit Schulden finanziert werden sollten.
Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts
Aufgabe der Koalitionsgespräche müsse es sein, konkrete Einsparungen in Form von Umschichtungen im Haushalt vorzunehmen, sagt Fuest. "Und das über mehrere Jahre."
Wahlgeschenke statt Sparpläne
Heißt, von den Ökonomen im Empfehlungspapier geforderte Reform- und Einsparbemühungen waren im Sondierungspapier nicht einmal mehr Fußnoten wert. Wahlgeschenke wie Mindestlohn, Pendlerpauschale und Rente dagegen wurden zu Ausrufezeichen.
Was genau mit dem Infrastrukturprogramm finanziert werden soll, ist übrigens noch offen. Bisher liest es sich wie ein Wünsch-Dir-was-Konzert, bei dem alle Beteiligten schreiben konnten, was sie sich wünschen. Von Investitionen in Krankenhäuser über die bessere Ausstattung von Kindergärten bis hin zu Forschung und Entwicklung: Alles wird mit Schulden finanziert.
Aber noch ist nichts beschlossen. Die Grünen sagten am Montag zumindest vorläufig ihre Zustimmung ab und bis Donnerstag kann noch viel passieren.
Quelle: dpa
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