Acht Tage lang wollen Hafenarbeiter am größten britischen Containerhafen streiken. Welche Folgen könnte der Ausstand in Felixstowe haben?
Am größten britischen Containerhafen in Felixstowe haben fast zweitausend Hafenarbeiter die Arbeit niedergelegt. Wegen der Inflation fordern die Arbeiter deutlich höhere Löhne.
Erst Brexit, dann Pandemie - und nun Arbeitskämpfe: Ein mehrtägiger Streik von Hafenarbeitern am größten Containerhafen Großbritanniens droht nicht nur die britischen Lieferketten weiter zu belasten. Die britische Handelsexpertin Rebecca Harding sagte der dpa dazu:
Ein achttägiger Streik, wie er von Sonntag an geplant ist, bedeute ein Risiko für Im- und Exporte im Wert von rund 800 Millionen Pfund (rund 950 Mio Euro) - besonders betroffen sei die Kleidungs- und Elektronikbranche.
Die Hamburger Hafen und Logistik AG hat auch das zweite Corona-Jahr erfolgreich abgeschlossen. Den größten Gewinn erzielte nicht der Umschlag, sondern die Lagerung von Containern.
Erst Pandemie, dann Havarie, jetzt Streiks
Doch der Streik ist längst nicht nur ein Thema für die Insel: Der globale Containerverkehr auf See, die Lebensader des Welthandels, ist seit Ausbruch der Corona-Pandemie vor zweieinhalb Jahren zunehmend aus dem Tritt geraten.
Jede Störung, etwa Lockdowns in einzelnen Häfen, eine Havarie wie die der "Ever Given" im Suezkanal oder eben Arbeitskämpfe, bringt zusätzlich Sand ins Getriebe - selbst wenn ein Hafen wie Felixstowe im internationalen Maßstab kein ganz großer Player im aufeinander abgestimmten Räderwerk der Seelogistik ist.
"Ein Grund für die strapazierte Logistik auf See und in den Häfen ist auch die niedrige Pünktlichkeitsrate von Schiffen", sagt etwa der Ökonom Vincent Stamer, der am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) den weltweiten Containerverkehr analysiert.
Zudem fürchten Logistiker auch in Deutschland neue Warnstreiks. Die wären möglich, wenn am Montag die nächste Tarifrunde im Streit um Löhne der Hafenarbeiter keinen Erfolg bringt. Zuletzt hatte die Gewerkschaft Verdi Mitte Juli für 48 Stunden den Umschlag an allen deutschen Nordseehäfen lahmgelegt.
Wegen des Ukrainekrieges und der Pandemie kommt es im Hamburger Hafen zu Containerstaus. Der größte Hafenbetreiber blickt auf der Hauptversammlung sorgenvoll in die Zukunft.
Wofür wollen die Hafenarbeiter streiken?
In Felixstowe wollen 1.900 Beschäftigte im Hafen an der englischen Ostküste ihre Arbeit niederlegen. Die Gewerkschaft Unite rief zu dem Streik auf, nachdem eine Einigung mit dem Arbeitgeber, der Felixstowe Dock and Railway Company, gescheitert war.
Das Angebot von Lohnerhöhungen um sieben Prozent ist der Gewerkschaft angesichts explodierender Verbraucherpreise nicht hoch genug. Die Inflation kletterte in Großbritannien im Juli auf über zehn Prozent.
Unite kündigte an, der beginnende Streik werde "massive Schockwellen durch die britischen Lieferketten senden". Auch in Liverpool wollen die Hafenarbeiter ihre Arbeit in Kürze niederlegen.
90 Prozent unseres Warenverkehrs erfolgen über den Seeweg. Bisher gehörte Hamburg zu den handelsstärksten Häfen der Welt. Doch der internationale Wettbewerb wird immer härter.
Wie könnte sich der Streik auf die Reedereien auswirken?
Wie sehr der Streik die Fahrpläne der Reedereien durcheinanderwirbelt, hängt stark davon ab, welche Rolle der Hafen bei ihnen spielt. Co-Branchenprimus Maersk rechnet etwa mit "erheblichen Auswirkungen auf das Schiffsprogramm", wie ein Sprecher der dänischen Reederei sagt. Der Hafen sollte während der Streiktage von fast einem Dutzend Containerriesen angelaufen werden.
Die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd sieht sich dagegen "nicht direkt betroffen", wie eine Sprecherin erläutert. "Wir haben nur einen wöchentlichen Dienst nach Felixstowe."
Der Hafenverband British Ports Association rechnet bislang nicht mit langfristigeren Auswirkungen auf die britischen Lieferketten. Es sei in den vergangenen Jahren stark in die Infrastruktur investiert worden, weshalb es - wenn nötig - auch möglich sei, zeitweise mehr Containerfracht abzuwickeln als üblich.
Das Institut für Weltwirtschaft befürchtet weitere Lieferengpässe infolge der China-Lockdowns. Auch der Hamburger Logistikkonzern Hapag-Lloyd spürt die Auswirkungen.
Welche Folgen könnte der Streik für Verbaucher haben?
Ulrich Hoppe, Direktor der Deutsch-Britischen Industrie- und Handelskammer, hält kurzfristig spürbare Engpässe für unwahrscheinlich.
Frische Produkte wie Obst und Gemüse würden eher über den Hafen in Dover abgewickelt.
Vorstellbar sei aber, dass bei Gütern wie Spielzeugen aus China Verzögerungen entstünden - und weiterer Druck auf die ohnehin schon durch die Pandemie belasteten Lieferketten.
Aus deutscher Sicht dürften sich die Folgen nach Einschätzung von IfW-Ökonom Stamer in engen Grenzen halten: