Die Strompreise steigen. Das liegt an der Abhängigkeit des Strompreis vom teuren Gas. Wie der Markt funktioniert und was Verbraucher nun tun können.
Wie funktioniert der Strommarkt?
"Es gibt eine Strombörse, über die ein großer Teil der Strommengen gehandelt wird, sowie einen außerbörslichen Handel", erklärt Energieökonom Dr. Philip Schnaars vom Energiewirtschaftlichen Institut (EWI) an der Universität zu Köln. An der Börse kaufen hauptsächlich große Unternehmen, die selbst Energie benötigen, oder Energieversorger, die private Haushalte beliefern.
Wie auf dem Wochenmarkt treffen hier Angebot und Nachfrage aufeinander. An der Börse wird der meiste Strom für den nächsten Tag gehandelt, so Schnaars. Es gibt aber auch die Möglichkeit, bis zu fünf Minuten bevor er verwendet wird, Strom zu kaufen.
Wie setzen sich die Preise zusammen?
Erzeuger bieten bei einer Auktion anhand ihrer Kosten Strom für den nächsten Tag auf dem Markt an.
"Das machen alle Teilnehmer am Markt. Der angebotene Preis entspricht dabei den jeweiligen Grenzkosten ihrer jeweiligen Erzeugungsanlage. Diese zum Verkauf angebotenen Mengen werden dann preislich aufsteigend sortiert, bis die Nachfrage gedeckt ist", erklärt Schnaars.
"Je mehr Strom gebraucht wird, desto mehr Erzeugungskapazitäten werden gebraucht." Meistens können laut Schnaars bei den derzeitigen Rohstoffpreisen erneuerbare Energien und Kernkaft am günstigsten Strom produzieren. Dann kämen Braunkohle, Steinkohle und schließlich Erdgas.
"Der Schnittpunkt aus Angebot und Nachfrage bildet den Strompreis, den alle Stromerzeuger erhalten. Das heißt, das zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Einsatzreihenfolge ,zuletzt' eingesetzte Kraftwerk, mit den höchsten Grenzkosten, setzt den Preis", erklärt Schnaars. Somit bekommen dann beispielsweise auch Windkraftanlagen, die vergleichsweise günstig produzieren, denselben Preis wie ein Gaskraftwerk.
Welche Auswirkungen hat der Stromhandel auf Verbraucherpreise?
Der Börsenpreis macht laut Schnaars ein Viertel des Haushaltspreises aus. Weitere Faktoren seien Netzentgelte, Steuern, Umlagen. Nicht der ganze Strom wird an der Börse gehandelt. Aber der Handel unabhängig von der Börse orientiere sich laut Schnaars an der Börse.
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Welche Folgen haben die hohen Gaspreise auf den Strompreis?
"Bei einer relativ niedrigen Einspeisung erneuerbarer Energien und einer relativ hohen Stromnachfrage kann es auch in der derzeitigen Situation vorkommen, dass ein Gaskraftwerk preissetzend ist", so Schnaars.
"Anders sieht es in Situationen aus, in denen die Stromnachfrage eher gering ist. Dann kann es passieren, dass zur Deckung der Nachfrage kein teures Erdgas verstromt werden muss. Und das ,letzte' Kraftwerk in der Einsatzreihenfolge kein Gaskraftwerk ist, sondern beispielsweise ein Steinkohle-Kraftwerk." Dann sei der Preis an der Strombörse niedriger, weil Steinkohle-Kraftwerke derzeit geringere Grenzkosten haben als Gas-Kraftwerke.
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Weil die EU weniger Gas aus Russland kauft, müssen andere Energieträger oder Gas anderer Herkunft verwendet werden. Auch Steinkohle und Mineralöl sind im vergangenen Jahr teurer geworden. "Durch ein reduziertes Angebot und eine gestiegene Nachfrage steigt der Preis vieler Energieträger", so Schnaars.
Bringt es etwas, den Stromanbieter zu wechseln?
Eher nicht. "Sie werden es schwer haben, im Moment durch mehrfaches Wechseln im Jahr große Einsparpotentiale zu generieren", schätzt Hans Weinreuter, Energieberater bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz, ein. Laut Verbraucherzentrale sollte nicht vorschnell gewechselt werden. Wenn es noch keine Erhöhung gab oder der aktuelle Anbieter trotz Erhöhung noch vergleichsweise günstig ist, sollte natürlich nicht gewechselt werden.
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Außerdem muss man laut Verbraucherzentrale bei Vergleichsportalen vorsichtig sein: nicht alle Anbieter und Tarife werden gelistet, wie beispielsweise die Grundversorgungstarife, die vergleichsweise günstig sein können. Außerdem sind die Preise in den Portalen manchmal nicht aktuell.
Wenn ein neuer - vergleichsweise gut bezahlbarer - Tarif abgeschlossen wird, soll laut Verbraucherzentrale auf eine Vertragslaufzeit von ein bis zwei Jahren in Verbindung mit einer Preisgarantie geachtet werden. Angesichts der aktuell steigenden Preise könnten diese Garantien sinnvoll sein. Bei teuren Verträgen sollten demnach kurze Laufzeiten gewählt werden. Ansonsten ist der Grundversorgungstarif eine Option: Dort gilt eine Kündigungsfrist von nur zwei Wochen.
Sollten Verbraucher den monatlichen Abschlag erhöhen?
Nur wenn das konkret verlangt wird. "Beim Stromversorger würde ich nur dann einer Abschlagserhöhung zustimmen, wenn diese Abschlagserhöhung mit einer konkreten Preiserhöhung zu einem bestimmten Datum hinterlegt ist", empfiehlt Energieberater Weinreuter. Sind es nur allgemeine Ankündigungen, sollte das Geld lieber privat zurückgelegt werden.
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Wie wirkt sich der Gaspreis in Zukunft aus?
"Wenn der Börsenstrompreis steigt, dann kommt das auch irgendwann bei den privaten Haushalten an", so Schnaars. Wann das passiert, komme auf den Energieversorger an und wo der Strom herkommt. Laut Energieökonomin Claudia Kemfert dauert das noch: "Die Haushalte werden es erst im Winter, Ende des Winters oder im übernächsten Winter merken, also Ende nächsten Jahres."
Der Strompreisanbieter EnBW beispielsweise kündigte Anfang August an, die Preise ab Oktober durchschnittlich um rund 30 Prozent zu erhöhen und begründet das auch mit den gestiegenen Gaspreisen.
Warum wird immer noch Gas für Strom verwendet?
Nicht nur wegen der hohen Nachfrage wird Gas benötigt. Die Energiequellen in Deutschland sind unterschiedlich verteilt, so Schnaars: "In besonders windreichen oder nachfragereichen Stunden reicht die Kapazität des Übertragungsnetzes häufig nicht aus. In solchen Situationen müssen die Kraftwerke im Norden ihre Einspeisung reduzieren, um eine Überlastung des Übertragungsnetzes zu verhindern. Im Süden werden dann zum Ausgleich Kraftwerke hochgefahren, das sind häufig Gaskraftwerke."
Was bringen mehr Kohlekraft und mögliche Atomkraft?
Wie viel Entlastung die Kohle bringt, die gerade wieder hochgefahren wird, ist laut Schnaars noch schwierig zu sagen. "Jede zusätzliche Erzeugungskapazität, die an der Strombörse angeboten wird - beispielsweise erneuerbare Energien oder Kohle - würde den Preis zumindest in einigen Stunden reduzieren, weil die Grenzkosten dieser zusätzlichen Anlagen üblicherweise niedriger sind als die von Gaskraftwerken."
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