Wie die Strompreisbremse Verbraucher entlasten soll
FAQ
Energiekrise und hohe Tarife:So soll die Strompreisbremse entlasten
05.09.2022 | 17:19
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Nicht nur die Gaspreise steigen derzeit - auch die Kosten für Strom bereiten Verbrauchern Sorge. Die Ampel will mit einer "Strompreisbremse" entlasten. Wie kann das funktionieren?
Viele Energiekonzerne machen wegen der hohen Gaspreise derzeit große "Zufallsgewinne". Ein Teil davon soll eine "Strompreisbremse" finanzieren.
Quelle: Sina Schuldt/dpa
Die Bundesregierung will die Verbraucherinnen und Verbraucher mit einem neuen Maßnahmenpaket auch beim Strom entlasten. Wichtige Fragen und Antworten zur Strompreisbremse:
Woher kommt der Strom überhaupt?
Das Stromnetz ist europaweit verbunden. Produziert wird Strom klassisch in Kraftwerken, etwa durch die Verbrennung von Kohle, Erdgas oder Kernbrennstoffen. Oder erneuerbar etwa durch Wind, Sonne oder Biogas.
Im ersten Quartal 2022 lag der Anteil der Kohle an der ins Netz eingespeisten Strommenge nach Angaben des Statistischen Bundesamtes bei 31,5 Prozent, gefolgt von Windstrom mit 30,1 Prozent und Erdgas mit 13,0 Prozent. Sonnenstrom kam auf einen Anteil von 6,3 Prozent, Atomstrom auf 6,0 und Biogas auf 5,4 Prozent. Der Rest entfiel auf weitere Energieträger wie Wasserkraft und andere.
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Ja, eigentlich immer. Wird im Netz besonders viel Strom gebraucht, springen besondere Kraftwerke an, die sehr schnell Strom produzieren können. Stromausfälle kommen trotzdem vor: Im Jahr 2020 hatten Verbraucher in Deutschland im Schnitt 10,73 Minuten lang keinen Strom. Dies war die bisher geringste Ausfallzeit seit der ersten Erhebung durch die Bundesnetzagentur 2006.
Wie hat sich der Preis entwickelt?
Für einen Musterhaushalt (Jahresverbrauch 5.000 Kilowattstunden) lag der Strompreis im August laut Vergleichsportal Check24 bei durchschnittlich 39,9 Cent pro Kilowattstunde, also 1.996 Euro im Jahr. Vor einem Jahr lag dieser Wert bei 1.529 Euro. Seitdem ist er also um 31 Prozent gestiegen.
Das Vergleichsportal Verivox hat als Durchschnittspreis für Ende August sogar 45,81 Cent pro Kilowattstunde ermittelt. Die Steigerung innerhalb eines Jahres gibt dieses Portal mit 51 Prozent an.
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Derzeit wird der Strompreis in Europa vor allem von teuren Gaskraftwerken bestimmt, die zur Stromproduktion genutzt werden. Da der Gaspreis vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine stark gestiegen ist, ist auch Strom teurer geworden. Das liegt daran, dass sich der Strompreis nach der teuersten Energiequelle richtet, die zur Produktion benötigt wird.
Ist die Nachfrage niedrig, reicht günstiger Strom etwa aus Wind, Sonne oder Atomkraft. Derzeit müssen aber teure Gaskraftwerke eingeschaltet werden, um die hohe Nachfrage zu decken.
Andere Energiefirmen, die billiger Strom produzieren, machen große Gewinne, weil sie ihren Strom auch zu dem höheren Preis verkaufen können. Ein Teil dieser "Zufallsgewinne" soll abgeschöpft und für die Entlastung der Verbraucherinnen und Verbraucher genutzt werden.
Der Preis, den Verbraucher dann tatsächlich für Strom zahlen, setzt sich aus dem Preis im Großhandel zusammen sowie verschiedenen Umlagen und Netzentgelten. Es macht auch einen Unterschied, ob man etwa langfristige Verträge zu einem festen Preis abgeschlossen hat.
Wie soll die Entlastung beim Strompreis aussehen?
Privathaushalte sowie kleinere Unternehmen sollen mit Hilfe dieser abgeschöpften "Zufallsgewinne" die Strommenge für einen "Basisverbrauch" zu einem vergünstigten Preis erhalten. Für diese Strommenge gilt die sogenannte Strompreisbremse.
Laut einer von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) veröffentlichten Beispielrechnung könnte der Basisverbrauch bei 75 Prozent des Durchschnittsverbrauchs liegen. Der Strompreisdeckel für diese Menge könnte laut der Rechnung bei 30 Cent je Kilowattstunde liegen.
Bezuschusst werden sollen auch die Netzgebühren. Familien mit Kindern könnten so laut der vorläufigen Beispielberechnung um über 300 Euro im Jahr entlastet werden. Ob die neue Strompreisbremse für alle Haushalte gelten soll oder nur für jene mit geringem Einkommen, ließ das Wirtschaftsministerium bislang offen.
Was hält die Energiewirtschaft von den Plänen?
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) begrüßt die Ankündigungen. "Wichtig ist, dass die Maßnahmen schnell wirken und für die Energieversorgungsunternehmen umsetzbar sind", hieß es in einer Stellungnahme. Der Verband rechnet damit, dass die Entlastungen die Preissteigerungen dämpfen können. "Weiterhin muss jedoch klar sein, dass das Einsparen von Energie bei Haushalten und bei den Unternehmen weiterhin das Gebot der Stunde sind, damit wir am Ende gut über den Winter kommen."
Der Chef des Energiekonzerns RWE, Markus Krebber, fordert, dass die Abschöpfung der Zufallsgewinne so gestaltet wird, "dass die Funktionsweise des Marktes und die Investitionsfähigkeit der Unternehmen unter allen Umständen erhalten bleibt".
Das dritte Entlastungspaket
Privathaushalte sollen die Strommenge für einen Basisverbrauch zu einem vergünstigten Preis erhalten. Für kleine und mittlere Unternehmen mit Versorgertarif soll dies auch gelten. Finanziert werden soll die Preisbremse mit Einnahmen durch eine neue Erlösobergrenze für Energieunternehmen. Zudem sollen die beim Strompreis relevanten, voraussichtlich steigenden Netzentgelte damit bezuschusst werden.
Die am 1. Januar anstehende Erhöhung des CO2-Preises um fünf Euro pro Tonne wird um ein Jahr auf 2024 verschoben, auch die Folgeschritte sollen sich verschieben. Heute liegt der CO2-Preis bei 30 Euro pro Tonne.
Rentnerinnen und Rentner sollen zum 1. Dezember eine einmalige Energiepreispauschale von 300 Euro von der Rentenversicherung erhalten. Sie waren bei der ersten Pauschale für Berufstätige leer ausgegangen. Wegen der Steuerpflichtigkeit wirkt die Pauschale bei niedriger Rente stärker.
Studierende und Berufsfachschülerinnen und -schüler sollen eine Einmalzahlung in Höhe von 200 Euro erhalten. Der Bund will mit den Ländern eine schnelle Auszahlung beraten.
Ein weiterer Heizkostenzuschuss soll im Herbst an die Wohngeldbeziehenden gehen. Er beträgt einmalig 415 Euro für einen 1-Personen-Haushalt. Im Zuge der für Jahresbeginn geplanten Wohngeldreform soll er dann zur dauerhaften Komponente des Wohngelds werden. Zudem soll der Kreis der Wohngeldberechtigten auf zwei Millionen Bürgerinnen und Bürger erweitert werden. Ende 2020 hatten laut Statistik-Amt 618.200 Haushalte Wohngeld bezogen.
Bedürftige sollen mit der für 1. Januar geplanten Weiterentwicklung des heutigen Hartz-IV-Systems zu einem Bürgergeld um 50 Euro höhere Regelsätze erhalten - etwa 500 Euro monatlich. Dies soll durch einen "Paradigmenwechsel" (Bundeskanzler Olaf Scholz) geschehen: Bei der Berechnung der Sätze soll künftig schon die zu erwartende Inflation im Jahr der Anpassung berücksichtigt werden - bisher wurden nur zurückliegende Werte angesetzt.
Beschäftigung knapp über der Mini-Job-Schwelle mit geringeren Sozialbeiträgen soll erleichtert werden. Die sogenannten Midi-Jobs sollen künftig monatlich bei bis zu einem Verdienst von 2.000 Euro liegen können.
48 Millionen Bürgerinnen und Bürger sollen bei der Steuer entlastet werden. Dazu soll an Stellschrauben des Einkommensteuertarifs gedreht werden. Steuererhöhungen infolge der Inflation sollen verhindert werden. Denn durch die sogenannte Kalte Progression droht vielen Menschen unter anderem, dass ihre Kaufkraft sinkt.
Es soll zum 1. Januar um 18 Euro monatlich für das erste und zweite Kind angehoben werden. Die Erhöhung soll für 2023/2024 gelten. Heute beträgt das Kindergeld jeweils 219 Euro für das erste und zweite Kind. Beim Kinderzuschlag für Familien mit niedrigem Einkommen soll der Höchstbetrag ab 1. Januar auf 250 Euro monatlich steigen.
Der Bund bietet Arbeitgebern und Beschäftigten an, dass er auf Steuern und Abgaben verzichtet, wenn Unternehmen zusätzliche Zahlungen an ihre Beschäftigten bis zu 3.000 Euro leisten.
Energieintensive Unternehmen, die Kostensteigerungen nicht weitergeben können, sollen mit einem neuen Programm unterstützt werden. Der Spitzenausgleich bei den Strom- und Energiesteuern soll um ein weiteres Jahr verlängert werden. Bestehende Unternehmenshilfen - unter anderem mit zinsgünstigen Krediten und erweiterten Bürgschaften - sollen bis 31. Dezember verlängert werden. Geprüft werden Schritte für Unternehmen, die aufgrund von Gasmangel und hoher Energiepreise die Produktion temporär einstellen müssen.
Nach dem 9-Euro-Ticket soll ein Nahverkehrsticket eingeführt werden - bundesweit nutzbar, digital buchbar, als Abo-Ticket. Preis: 49 bis 69 Euro. Der Bund will 1,5 Milliarden Euro dafür zuschießen, wenn die Länder mindestens ebenso viel zahlen.
Ein wegen des Corona-Abschwungs eingeführter erleichterter Zugang zur Kurzarbeit soll verlängert werden - ebenso die Absenkung der Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie auf sieben Prozent. Mieterinnen und Mieter sollen gegebenenfalls vor einer Überforderung durch steigende Nebenkostenvorauszahlungen geschützt werden. Strom- und Gassperren sollen vermieden werden.
Steuerzahler sollen ab 1. Januar ihre Rentenbeiträge voll absetzen können; Renten sollen künftig in der Auszahlungsphase besteuert werden. Mit einer Senkung der Umsatzsteuer auf Gas zum 1. Oktober auf sieben Prozent soll die Gasumlage ausgeglichen werden. Die bis Ende 2022 verlängerte Homeoffice-Pauschale soll entfristet und verbessert werden.
Das Tanken war so teuer wie noch nie, die Lebensmittelpreise ziehen ebenfalls an. Wie hoch die Inflation bei einzelnen Produkten ist - der Überblick in interaktiven Grafiken.