Der hohe Gaspreis lässt den Strompreis steil nach oben steigen. Die Regierung will den Strommarkt nun umstrukturieren. Doch so einfach ist das nicht.
Privatkunden zahlen oft doppelt so viel wie noch vor drei Jahren, und manche Industriefirmen ächzen schon angesichts der hohen Strompreise. Die Bundesregierung plant nun, den Strommarkt umzustrukturieren. Und steht damit vor großen Problemen.
Strommarkt funktioniert nach Merit Oder Prinzip
Bis 1998 war der Strommarkt in Deutschland strikt reguliert. Dann öffnete Deutschland auf Druck der EU den Markt, und seitdem ist Strom eine Ware geworden. Der Marktmechanismus scheint den Deutschen jetzt auf die Füße zu fallen. Denn der Strompreis bildet sich nach dem sogenannten Merit Order Prinzip.
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Mehr Erneuerbare Energien in Markt nehmen
Als alle Stromerzeuger noch zu ähnlichen Kosten produzierten, hat das Prinzip gut funktioniert. Doch dann explodierte der Gaspreis. Und Gaskraftwerke werden fast immer benötigt, um die Nachfrage zu befriedigen. Das Ergebnis: Alle zahlen einen hohen Strompreis. Dennoch wäre eine Änderung dieses Prinzips nicht sofort eine Lösung, meinen Experten.
Energie-Expertin Kemfert schlägt vor, mehr Erneuerbare Energien ins Angebot zu nehmen. Die Produktionskosten von Solar und Wind seien nahe Null und könnten die teureren Kraftwerke damit aus dem Markt drängen. Ein anderer Weg sei das Stromsparen.
Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale NRW klärt auf.
Auch Dr. Mathias Mier, Energie-Experte des ifo-Instituts, möchte an der Merit Order nicht rütteln: "Man verschärft das Investitionsrisiko enorm und setzt mehr Fehlanreize als jetzt sowieso schon. Lieber mehr in Wind und Sonne investieren."
Änderung des Mechanismus nur langfristig möglich
Laut Michael Claußner von der Energieberatungsagentur Brainpool Energy funktionieren die Strompreis-Mechanismen in allen Ländern mit liberalisierten Energiemärkten nahezu identisch nach der Merit Order.
Die mittlere Frist bedeutet eher Jahre statt Monate. Doch was tun? Der Gaspreis ließe sich nicht sinnvoll vom Strompreis entkoppeln, meint Dr. Mathias Mier. Der Wirtschaftswissenschaftler am ifo Zentrum für Energie, Klima und Ressourcen sieht das Problem in der Energiepolitik.
Zur Entlastung der Verbraucher und der Wirtschaft fordern die Expert*innen Entlastungen und Umverteilungen durch den Staat auf breiter Front. Diese Vorschläge ließen sich diskutieren und nach Kriterien wie z.B. ihrer Verteilungsgerechtigkeit priorisieren. Und wären innerhalb weniger Monate umsetzbar.
Kalt duschen und frösteln im Büro? Kommunen, Unternehmen und Privathaushalte sind schon jetzt aufgefordert Gas und Strom zu sparen, sonst könnte der Winter "dunkel und kalt" werden.
Auch eine Übergewinnsteuer könne helfen, heißt es. Günstige Stromproduzenten machen durch die Merit Order derzeit enorme Gewinne, da sie den Preis des letzten teuren Gaskraftwerks abrechnen können. Eine Übergewinnsteuer beträfe also eventuell vor allem die von der Politik vernachlässigten Erneuerbaren Energien.
Dennis Berger ist Redakteur in der ZDF-Redaktion Wirtschaft und Finanzen