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Türken leiden unter Teuerung : Inflation, geplatzte Träume und Erdogans Plan

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In der Türkei liegt die Inflation bei fast 80 Prozent. Millionen Menschen wissen kaum, wie sie über sie Runden kommen sollen. Doch die Regierung verfolgt andere Pläne.

"Wir leben von heute auf morgen", sagt Ayten Corlu, schon beinahe gleichgültig, "einen Plan für übermorgen haben wir nicht." Sie arbeitet seit 15 Jahren als Köchin. Gerade bereitet sie zusammen mit ihrer Kollegin Aynur das Abendgeschäft vor. Gute, aber einfache Küche für den normalen Geldbeutel. Das Restaurant liegt in einem Stadtteil auf der asiatischen Seite von Istanbul, weitab von den Touristenströmen. Beim Thema Preise kann sie nur den Kopf schütteln.

Wir können uns immer weniger leisten. Wenn wir damals fünf Kilo Gemüse eingekauft haben, kaufen wir heute nur noch zwei Kilo Gemüse.
Ayten Corlu, Köchin in Restaurant

"Und das schlägt sich in den Portionen nieder." Schon zweimal mussten auch sie die Preise erhöhen. Dennoch reicht es kaum, um die Kosten zu decken. Wie lange sich das Restaurant noch halten kann - sie weiß es nicht.

60 Prozent der Beschäftigten Niedriglöhner

Die Türkei leidet unter einer galoppierenden Inflation - sie stieg zuletzt mit 78,6 Prozent auf den höchsten offiziellen Wert seit 1998. Ökonomen stellen die Zahlen infrage und gehen von wesentlich höheren Raten aus.

60 Prozent der Beschäftigten in der Türkei arbeiten im Niedriglohnsektor, viele zum Mindestlohn. Der wurde gerade erneut angehoben, auf nunmehr 5.500 Lira, rund 310 Euro im Monat. Doch was bringt das? "Gleich danach sind die Preise für die Güter auch gestiegen. Egal, wohin du schaust, alles ist wieder teurer geworden", schimpft Kadir, "es reicht hinten und vorne nicht."

Wegen der extrem hohen Inflation bleiben viele Kunden aus, kleinere Textilhersteller und Boutiquen können die gestiegenen Energiepreise nicht mehr zahlen.

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Kadir ist 24 Jahre alt und arbeitet als Automechaniker, bekommt den Mindestlohn. Zusammen mit fünf Geschwistern und seinen Eltern lebt er in einem kleinen Haus mit drei Zimmern. Eine eigene Wohnung, heiraten, Kinder? "Das kannst du vergessen", meint Kadir bestimmt. "Die Mitgift für die Braut kann ich mir niemals leisten. Da ist nicht dran zu denken." Zurzeit platzen in der Türkei viele Träume.

Inflation gefährdet Erdogans Macht

Die Regierung setzt alles auf die Wirtschaft. Kommendes Jahr wird in der Türkei gewählt. Präsident Recep Tayyip Erdogan muss um seine Macht fürchten, will Wachstum um jeden Preis. Dabei folgt der Präsident seiner ganz eigenen Logik: Mit niedrigen Zinsen will er die Konjunktur am Laufen und die Beschäftigung hochhalten. Immer neue Rekorde bei den Exporten bestätigen ihn scheinbar in seinem Kurs.

Diese Strategie sei aber von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen, sagen renommierte Wirtschaftsexperten des Landes übereinstimmend. Die Nebenwirkungen dieser Politik bekommt jetzt die Bevölkerung zu spüren. Wenige profitieren, viele leiden.

Auf den Straßen formiert sich Protest

Cihan Uyanik studiert an der Technischen Universität in Istanbul Ingenieurswesen. Zusammen mit anderen hat er die Initiative "Wir können nicht überleben!" gegründet. Sie wollen ein Sprachrohr für die vielen Menschen sein, die alle in der gleichen Klemme stecken. So gehen sie auf die Straße, um gegen die horrenden Lebenshaltungskosten zu protestieren, starten Unterschriftenaktionen gegen Mietpreiserhöhungen, zeigen auf, was hinter den Preiserhöhungen steckt.

Für Strom, der eigentlich 30 Cent kostet, werden den Verbrauchern 210 Cent in Rechnung gestellt. Sieben Mal so viel. Und wer steckt sich den Gewinn in die Tasche? Die Stromkonzerne.
Cihan Uyanik, Demonstrant

Sie wissen selbst, dass sie nicht viel erreichen können. Dennoch wollen sie nicht verstummen, obwohl die Staatsmacht allgegenwärtig ist und sie jederzeit mit Repressalien rechnen müssen.

Ayten, Kadir, Cihan und Millionen andere glauben nicht, dass ihre Situation sich bald verbessern wird. Im Gegenteil, Ökonomen rechnen damit, dass die Inflation weiter stark steigen wird, auf über 90 Prozent noch in diesem Jahr. Vielleicht wird es nach der Wahl besser – die ist aber erst in einem Jahr. Es wird ein langes Jahr.

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