Droht Konzern eine Zerschlagung?:Union: "Bahn vom Kopf auf die Füße" stellen
|
Wie geht es nach der Wahl mit der Bahn weiter? Die Union plant, unter einem möglichen Kanzler Merz den Betrieb und das Schienennetz voneinander zu trennen. Die EVG übt Kritik.
Mit großangelegten Sanierungen wichtiger Strecken verspricht die Deutsche Bahn ihren Fahrgästen wieder mehr Pünktlichkeit - doch die Union ist nicht überzeugt und will das Vorgehen im Falle eines Wahlsiegs überprüfen.
Quelle: Reuters
Der Deutschen Bahn droht nach der Bundestagswahl die Zerschlagung. Die Union plant, den bundeseigenen Konzern unter einem möglichen Kanzler Friedrich Merz (CDU) komplett umzukrempeln und den Betrieb und die Infrastruktur voneinander zu trennen.
Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) warnt von einem "fundamentalen Angriff auf unsere Arbeitsplätze" und demonstriert heute in Berlin gegen die Pläne der Union. EVG-Chef Martin Burkert sagte über die Unionsparteien:
Da zünden fachfremde Opportunisten Nebelkerzen, um auf Kosten der Beschäftigten die Interessen der neoliberalen Wettbewerbslobby durchzusetzen.
„
Martin Burkert, EVG-Chef
Welche Pläne haben die politischen Parteien in ihren Programmen zur Bundestagswahl bezüglich der maroden Infrastruktur und dem Sanierungsfall der Bahn?20.01.2025 | 33:08 min
Lange: Bund soll mehr Zugriff bekommen
Die Union hat schon länger klare Vorstellungen davon, wie der Konzern mittelfristig aufgestellt sein sollte - und will einen harten Bruch mit der Ampel-Politik. Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion für Verkehr, Ulrich Lange (CSU), teilte der Deutschen Presse-Agentur mit:
Klar ist für uns, dass die Bahn vom Kopf auf die Füße gestellt werden muss, wenn sich Verbesserungen ergeben sollen.
„
Ulrich Lange, Vize-Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion für Verkehr
Die Bahn und "ihre unzähligen Beteiligungen und Tochtergesellschaften" sollten aufgelöst werden, Infrastruktur- und Transportbereich sollten voneinander getrennt und das Schienennetz solle analog zur Autobahn in eine bundeseigene, weisungsgebundene GmbH überführt werden. "Der Bund bekommt dadurch einen stärkeren Zugriff auf den Aus-, Neu- und Umbau der Schieneninfrastruktur", argumentierte Lange.
Verkehrsminister Wissing: Aufspaltung löst Probleme nicht
Nach Ansicht von Verkehrsminister Volker Wissing (parteilos) würde eine Aufspaltung des Bahn-Konzerns die Probleme des Unternehmens nicht lösen. Wissing sagte der dpa:
Die Forderung nach der Zerschlagung der Bahn ist ein weiteres Beispiel dafür, wie den Menschen derzeit vermeintlich einfache Lösungen für komplexe Probleme versprochen werden.
„
Volker Wissing, Verkehrsminister
"Statt auf das Organigramm, sollten sich daher alle darauf konzentrieren, das Sanierungsprogramm weiter konsequent durchzuziehen. Denn der Kern des Problems liegt in der über die letzten Jahrzehnte kaputtgesparten Infrastruktur", sagte Wissing weiter.
Im ersten Halbjahr 2024 hat die Deutsche Bahn rund 1, 2 Milliarden Verlust gemacht. Bis 2027 jedoch will der Konzern mit einem Sanierungsprogramm die Trendwende schaffen. 18.09.2024 | 1:18 min
Mehr als ein Drittel der Fernzüge unpünktlich
Fakt ist: Es vergeht kein Tag, an dem die Fahrgäste der Deutschen Bahn den schlechten Zustand des Unternehmens nicht selbst erfahren. Die Fernverkehrszüge waren 2024 so unpünktlich wie seit mehr als 20 Jahren nicht. Mehr als jeder dritte ICE oder IC kam zu spät an.
DB-Schienennetz-Tochter DB Infrago will zwar mit einer umfassenden Generalsanierung Dutzender vielbefahrener Strecken die Pünktlichkeit in den nächsten Jahren allmählich in den Griff bekommen. Doch vielen Fachleuten geht das nicht weit genug.
Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn hat im September über ein umfassendes Sanierungsprogramm beraten. Damit möchte die Bahn in drei Jahren pünktlicher, effizienter und profitabler sein. 18.09.2024 | 1:43 min
EVG: Brauchen dauerhafte Investitionen
"Wir stehen vor den Scherben von 20 Jahren Eisenbahnpolitik", sagte Bahnexperte Christian Böttger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin. "Die Eisenbahn ist in dieser Struktur nicht mehr zukunftsfähig."
Bahnexperte Böttger ergänzte, grundsätzlich sei er für eine "Organisationsreform" des Unternehmens.
Aber die Eisenbahn wird dadurch nicht automatisch besser. Die Probleme, die sich über Jahre aufgestaut haben, gehen dadurch nicht automatisch weg.
„
Christian Böttger, Bahnexperte
Das sieht die EVG ähnlich. Mit einer grundlegenden Umstrukturierung werde das jahrzehntelange Problem der Unterfinanzierung nicht gelöst, sagte Gewerkschaftsschef Burkert.
Was es wirklich braucht, sind dauerhaft mehr Investitionen in die Schienen-Infrastruktur, um den Verschleiß, der sich über Jahrzehnte aufgebaut hat, wieder abzubauen.
„
Martin Burkert, EVG-Chef
Die Deutsche Bahn verkaufte vergangenes Jahr mit DB Schenker einen Geschäftsbereich, der Gewinn bringt. Warum die Bahn das macht, dazu ZDF-Wirtschaftsexperte Florian Neuhann. 13.09.2024 | 1:07 min
Experte: Bahn tanzt Bund auf der Nase herum
Bahnforscher Böttger sagte allerdings auch: "Die DB ist als großer, monolithischer Klotz politisch so mächtig, dass sie ihrem Eigentümer auf der Nase herumtanzt." Deshalb habe der Eigentümer auch keinen Zugriff auf die Infrastrukturgesellschaften. "Die Bahn wäre möglicherweise besser steuerbar, wenn man getrennte Gesellschaften hätte."
Er warnte zugleich, dass jede Organisationsänderung erhebliche Unruhe verursache.
Wenn man sich anguckt, in welchem schlechten Zustand die Bahn heute ist, muss man zumindest die Frage stellen, ob eine komplette Trennung derzeit umsetzbar ist.
„
Christian Böttger, Bahnexperte
Stattdessen plädierte er zunächst dafür, mit zwei kleineren Schritten in die Trennung einzusteigen: die Aushebung der Beherrschungsverträge und mehr Transparenz bei den Finanzen. "Derzeit ist es ja so, dass vor allem die DB ihre Leute in den Aufsichtsrat der Infrastruktur schickt, nicht der Staat. Wenn man die Beherrschungsverträge aufheben würde, dann könnte die Politik selbst Aufsichtsräte bestimmen."
Ob nach der Bundestagswahl tatsächlich die rasche Zerschlagung der Bahn droht, sieht Böttger ist skeptisch:
Der neue Bundeskanzler wird an seinem ersten Arbeitstag nicht als Erstes sagen: Jetzt muss ich mich mal um die Bahn kümmern.
Personalmangel, Streik, ICE-Probleme - von großen Baustellen und chronischen Verspätungen bis hin zu Ihren Rechten als Fahrgast: Bei ZDFheute erfahren Sie alles zur Deutschen Bahn.