Deutsche Pharmaindustrie: Die Sorge vor US-Zöllen

    Handel und Versorgung mit Arznei:Deutsche Pharmaindustrie: Sorge vor US-Zöllen

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    von Frank Bethmann
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    Keine deutsche Branche exportiert mehr in die USA. Doch auch Bayer, Merck und Co droht Donald Trump mit Zöllen - schlecht für die Umsätze sowie die Versorgungslage.

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    Alle sprechen von der Autoindustrie. Es gibt aber eine Branche, die US-Zölle mindestens genauso, wenn nicht sogar noch härter treffen würde: die deutsche Pharmaindustrie. Henrik Jeimke-Karge vom Verband forschender Pharma-Unternehmen (VFA) sagt:

    Fast ein Viertel der Ausfuhren gehen in die Vereinigten Staaten.

    Henrik Jeimke-Karge, Verband forschender Pharma-Unternehmen

    Seit 2008 haben sich die Exporte dorthin verdoppelt. Bei den Pharmazeutika, also vor allem bei fertigen Arzneimitteln, hat sich der Anteil sogar verdreifacht.
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    Deutsche Pharma-Exporte könnten um eine Drittel einbrechen

    "Schäden durch Zölle wären enorm", sagt Martin Lück von der unabhängigen Beratungsgesellschaft Macro Monkey. US-Zölle von 20 Prozent würden nach Berechnungen des Ifo-Instituts die deutschen Pharma-Exporte um ein gutes Drittel einbrechen lassen.
    Der ehemalige Kapitalmarktstratege der US-Investmentgesellschaft Blackrock ist sich daher sicher:

    Die Folgen wären ein drastischer Rückgang der Produktion und entsprechende Werkschließungen, Insolvenzen und Verlust von Arbeitsplätzen.

    Martin Lück, Macro Monkey

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    USA attraktiver Absatzmarkt

    So weit ist es noch nicht, doch dass die deutsche Pharmaindustrie im Fokus der Amerikaner ist, daran gibt es keinen Zweifel. Bereits Trump-Vorgänger Joe Biden stellte in einem Zeitungsinterview die Medikamentenhersteller an den Pranger, sie sollten "aufhören, dass US-Volk abzuzocken". Tatsächlich sind die USA für die Industrie ein attraktiver Absatzmarkt.
    Das liegt nicht nur an der großen Zahl von Menschen, die in den Vereinigten Staaten Medikamente nehmen, sondern auch an den Preisen, die Hersteller dort aufrufen können. Patienten in den USA müssen für verschreibungspflichtige Medikamente dreimal so viel wie im Durchschnitt anderer Industrieländer bezahlen. Das hat eine Studie der gemeinnützigen Organisation Rand ergeben, die die Bruttopreise der Hersteller in 33 OECD-Staaten verglichen hat.

    Zölle würden die Medikamente für Amerikaner noch teurer machen

    "Dass die Medikamentenpreise in den USA so hoch sind, liegt zunächst am System selbst", sagt Lück. Weil Medicare, die staatliche Krankenversicherung, nicht mit Produzenten über Preise verhandeln darf, haben Hersteller große Preissetzungsmacht.
    "Wenn nun Zölle dazukommen", so Lück weiter, "werden die Konzerne diese Macht nutzen, um die Zusatzkosten auf die Verbraucher abzuwälzen. Insofern wird damit für die mittleren und unteren Einkommensschichten das Problem hoher Arzneimittelpreise noch deutlich verschärft."

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    Besonders betroffen Boehringer Ingelheim

    Eine Logik hinter diesen Zollandrohungen gibt es für Lück nicht, gleichwohl könnte es für einige deutsche Pharmaunternehmen unangenehm werden. Besonders treffen dürfte es Boehringer Ingelheim. 2023 machte das Unternehmen gut 40 Prozent seines Gesamtumsatzes in den USA.
    Gleichzeitig haben die Ingelheimer nur wenige Produktionsstätten vor Ort, exportieren also viel in die Vereinigten Staaten. Aber auch andere deutsche Pharmaunternehmen wie Merck und Bayer seien in den USA mit Umsatzanteilen bei Pharmaprodukten von jeweils 27 Prozent und 13 Prozent stark vertreten, sagt Lück.

    Auch sie würden durch Handelszölle entsprechend stark betroffen.

    Martin Lück, Macro Monkey

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    Mögliche Versorgungsprobleme in Deutschland

    Die deutschen Pharmahersteller bereiten sich vor, sollte der Bannstrahl der Amerikaner auch ihre Branche treffen. Die EU würde wohl mit Gegenzöllen reagieren - mit möglichen Folgen für deutsche Patienten. Die USA sind nicht nur ein wichtiger Absatzmarkt, sondern auch zentral für den Import: "Knapp ein Sechstel der importierten Arzneimittel stammt aus den USA", so Jeimke-Karge vom VFA. Zudem ist die Branche in Forschung und Entwicklung eng mit den USA vernetzt:

    In wichtigen Technologiegebieten wie der RNA-Forschung werden die meisten grenzüberschreitenden Forschungsprojekte mit Forscherinnen und Forschern in den Vereinigten Staaten durchgeführt.

    Henrik Jeimke-Karge, Verband forschender Pharma-Unternehmen

    Zölle könnten also auch die medizinische Versorgung hierzulande verschlechtern.
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    Kaum Zölle auf Medikamente - doch wie lange noch?

    Die weitgehende Abschaffung von Handelshemmnissen im Bereich von Pharmazeutika vor gut 30 Jahren sei daher sinnvoll gewesen, schreibt der VFA in seinem aktuellen Economic Policy Brief. Am 1. Januar 1995 trat das Pharmaceutical Tariff Elimination Agreement - Zero for Zero im Rahmen der Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) - in Kraft.
    34 Staaten haben dem Abkommen bis heute zugestimmt, was rund zwei Drittel des weltweiten Pharma-Handels ausmacht. Entsprechend niedrig ist der durchschnittliche Zollsatz wichtiger Handelspartner. In der EU liegt er bei 1,5 Prozent, in den USA bei 0,9 Prozent. Wie lange das noch so bleibt, ist aktuell völlig offen.

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