Nach einem kurzen Moment des Zögerns erlassen die USA erste Sanktionen gegen Russland. Und machen gleichzeitig klar: Das ist erst der Anfang.
Als Washington an diesem Morgen aufwacht, ist das Wort "Invasion" noch nicht offiziell ausgesprochen. Vielmehr hatte ein ranghoher Regierungsbeamter am Montagabend noch erklärt, in der Ostukraine stünden ja schon seit Jahren Tausende russische Soldaten. Es würden zwar weitere Sanktionen folgen. Aber wie hart - das ließ er offen.
US-Journalist*innen spekulierten also: Nennt die US-Regierung das Vorgehen Putins eine Invasion? Oder macht Präsident Joe Biden wahr, was er in einer viel kritisierten Rede vor einigen Wochen ankündigte - dass es einen Unterschied mache, ob es eine Invasion gebe oder ein "geringfügiges Eindringen"?
Biden spricht von Invasion
Als Biden am Nachmittag vor die Presse tritt, lässt er dann aber keinen Zweifel.
Der US-Präsident hatte nicht nur deutliche Worte im Gepäck, sondern auch konkrete Sanktionen. Die betreffen:
- Zwei große Banken. Über die werden Gehälter und Renten auch im militärischen Bereich ausgegeben.
- Den Zugang Russlands zu US-Finanzmärkten. Damit ist die Möglichkeit zur Kreditaufnahme in den USA deutlich eingeschränkt.
- Russische Eliten und ihre Familien. Deren Guthaben bei US-amerikanischen und europäischen Banken sollen eingefroren werden.
Weitere Sanktionen können folgen
Das sei zunächst ein erster Schritt. Sollten russische Truppen weiter in die Ukraine vorrücken, werden härtere Sanktionen erlassen, so der US-Präsident.
Außerdem kündigte Biden an, weitere Truppen in die baltischen Staaten verlegen zu wollen.
"Ich finde es gut, dass das Sanktionspaket mehrere Elemente enthält", sagt Jessica Brandt, Expertin für Außen- und Sicherheitspolitik am US-amerikanischen Think Tank "Brookings". "Die Regierung versucht damit, eine Eskalationsleiter aufrechtzuerhalten, sie will Strafmaßnahmen erlassen für die Aktionen, die Russland bisher ergriffen hat, aber nicht ihr gesamtes Pulver verschießen, weil noch etwas kommen könnte."
Blinken sagt Treffen mit Lawrow ab
Kurz nach der Rede Bidens klettert US-Außenminister Anthony Blinken eine weitere Sprosse dieser Leiter nach oben. Er verkündet: Das für Donnerstag anvisierte Treffen mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow ist abgesagt. Er habe Lawrow einen entsprechenden Brief geschickt. Weil der russische Einmarsch in die Ukraine bereits beginne und Russland der Diplomatie eine Absage erteilt habe, ergebe ein Treffen derzeit "keinen Sinn", sagte Blinken.
- Aktuelles zum Krieg in der Ukraine
Russlands Angriff auf die Ukraine dauert an. Es gibt Sanktionen gegen Moskau, Waffen für Kiew. Aktuelle News und Hintergründe zum Krieg im Blog.
Offen für Diplomatie
Blinken und auch Biden ließen in ihren jeweiligen Reden trotzdem eine diplomatische Tür offen. Man werde Russland an seinen Taten messen, nicht an seinen Worten. Aber:
Das ist eine deutliche Message an die eigene Bevölkerung, an die russische, die ukrainische und an den Rest der Welt. Sie passt zur bisherigen Strategie in diesem Konflikt: Die USA wollen Russland nicht die Informationshoheit überlassen.
Die US-Regierung habe diesmal ein viel besseres Verständnis, was die Verbreitung von Informationen angehe, als noch 2014, als Russland die Krim annektierte, meint Brandt. "Diesmal will die Regierung ihre eigene Erzählung behaupten, die Wahrheit, und sicherstellen, dass die öffentliche Wahrnehmung klar ist."
Präsident Putin hat am Montagabend die von Separatisten kontrollierten Gebiete der ostukrainischen Provinzen Donezk und Luhanks als unabhängig anerkannt. Daraufhin setzten sich Truppen in Bewegung.
Trump lobt Putin
Der ehemalige US-Präsident Donald Trump attestiert Putin dennoch ein "geniales" und "schlaues" Vorgehen. In einer konservativen Radio-Talk-Sendung sagte er mit Blick auf Putins jüngste Entscheidungen: "Das ist genial." Der Kremlchef erkläre einen großen Teil der Ukraine für unabhängig und schicke "Friedenstruppen" dorthin. "Wie schlau ist das denn?" Trump war während seiner Amtszeit vorgeworfen worden, den Kremlchef mit Samthandschuhen anzufassen.
Die Ukrainer scheinen jedenfalls an diesem Abend zufrieden, dass Biden die Samthandschuhe Zuhause gelassen hat. Nach einem Treffen mit Blinken begrüßte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba die Sanktionen. "Die Sanktionen, die heute angekündigt wurden, richten sich gegen Russland und sind sehr spezifisch. Sie sind schmerzhaft."
Verwunderung über erste Sanktionen
Man sei allerdings am Montag etwas "verwundert" gewesen, als die US-Regierung ihre ersten Maßnahmen ankündigte, so Kuleba. Mit den angesprochenen Sanktionen hatte die US-Regierung zunächst nur die Separatisten in Donezk und Luhansk in den Blick genommen, nicht Russland selbst.
Diese Verwunderung, die Zweifel des Morgens, sollten vorrübergehend beseitigt sein. Die USA demonstrieren Stärke, und versuchen den russischen Präsidenten Putin damit zu beeindrucken. Ob das gelingt, werden die nächsten Tage zeigen.
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