Trotz der Unsicherheit durch den Ukraine-Krieg hat die US-Notenbank die Zinsen erstmals seit 2018 angehoben - um 0,25 Prozentpunkte. Weltweit blicken Zentralbanken nach Washington.
Stolze 7 US-Dollar kostet die Schachtel Cheerios aktuell in New York, und dabei handelt es sich nicht etwa um die glutenfreie Variante der beliebten Frühstücks-Cerealien - auch die USA kämpfen derzeit mit rasant steigenden Preisen bei Nahrungsmitteln und Energie, ausgelöst von Corona-bedingten Nachholeffekten und Engpässen bei Lieferketten.
Die Inflation stieg zuletzt mit 7,9 Prozent so kräftig wie seit 40 Jahren nicht mehr - auch die Kernrate (ohne Energie und Lebensmittel) liegt mit 6,4 Prozent sehr hoch und damit weit entfernt von der Zielmarke 2 Prozent.
Auch die Erzeugerkosten - also Preise ab Werk und bevor Waren in den Handel gelangen - legten erneut im Februar um 10 Prozent zu. Sie geben einen Vorgeschmack auf die Entwicklung der Verbraucherpreise.
Viele US-Amerikaner sind auf Lebensmittelhilfe angewiesen
Allein in New York erhalten inzwischen 1,6 Millionen Menschen sogenannte Food Stamps, wie die Lebensmittelzuschüsse genannt werden. Und jenseits der Metropolen ist das eigene Auto für die meisten Amerikaner ein Muß - entsprechend empfindlich reagieren sie seit jeher auf hohe Sprit-Preise - Kongressabgeordnete fürchten die Wut ihrer Wähler.
Deshalb musste die US-Notenbank, kurz Fed, die steigenden Preise nun schleunigst eindämmen, bevor eine gefährliche Preis-Lohnspirale in Gang kommt: Zuletzt kündigte bereits die Supermarktkette Target an, den Stundenlohn für bestimmte Jobs auf 24 Dollar anzuheben - das Dreifache des nationalen Mindestlohns.
Gretchenfrage: Zinsen erhöhen oder Wirtschaft ausbremsen?
Als sich die US-Notenbank-Gouverneure in Washington heute also erstmals wieder seit Beginn der Corona-Pandemie in Präsenz getroffen haben, dürfte es hoch her gegangen sein. Denn die Geldpolitiker müssen in der aktuellen Situation einen Drahtseilakt vollziehen: Wie stark und wie schnell erhöht man die Zinsen ohne dabei die Wirtschaft in eine Rezession zu schicken?
Der Ukraine-Krieg macht die Entscheidung komplizierter, denn er dürfte die Inflation zusätzlich anheizen und Preise insbesondere bei Weizen, Öl und anderen Rohstoffen abheben lassen. So kommt die Zinswende zu einem heiklen Zeitpunkt. Denn steigende Zinsen bergen auch das Risiko, die Wirtschaft auszubremsen.
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Unsicherheitsfaktor Ukraine-Krieg
Die US-Wirtschaft befindet sich zwar nach wie vor in guter Verfassung - Ende 2021 legte das BIP aufs Jahr gerechnet um 7 Prozent zu, und auch die Arbeitslosenquote ging auf 3,8 Prozent zurück. Doch der Ausblick ist vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges so unsicher wie selten zuvor.
Die US-Wirtschaft gilt zwar als deutlich weniger anfällig als die europäische. Immun ist sie aber nicht. Deshalb hat die US-Notenbank den Zinsschritt heute bei moderaten 0,25 Prozent belassen.
Die Inflation kommt näher, die Energiepreise steigen und die Sorge vor einer Rezession wächst. Nun befindet sich Europa in einem Sanktionskrieg mit Russland – wie handelt die EZB?
Zinserhöhung in mehreren Etappen?
Spannend wird der ökonomische Ausblick, d.h. ob und wieviele weitere Zinsschritte die Fed in diesem Jahr noch einleiten wird.
Analysten rechnen mit mehreren Zinsschritten in diesem Jahr und einem zügigen Abbau der durch Corona-Notprogramme angeschwollenen Notenbank-Bilanz. Auch die Fed hat in der Corona-Krise massive Hilfsprogramme aufgelegt, um Arbeitsmarkt und Konjunktur zu stützen.
Auswirkungen auf Schulden und Wechselkurse weltweit
Wie die Fed nun reagierte, werden auch andere Notenbanken sehr genau beobachtet haben, weil US-Zinsen sich weltweit auf Schulden, Wechselkurse und andere Größen auswirken. Steigen die Zinsen in den USA, wandert auch mehr Kapital in die US-Märkte, in der Folge könnte der Euro abwerten.
Und weil Öl und andere wichtige Rohstoffe traditionell in Dollar abgerechnet werden, könnten somit die Preise im Euroraum weiter anziehen - ein importierter Preisauftrieb wäre die Konsequenz.
Europas Zentralbanken reagieren unterschiedlich
Die EZB hat vergangene Woche ihren Ausstieg aus den Anleihekäufen beschleunigt - den Zeitpunkt für eine erste Zinserhöhung jedoch offen gelassen. Andere Notenbanken sind da schon weiter - auch weiter als die Fed.
Die Bank of England etwa hat als erste G7-Zentralbank im Dezember und Februar bereits zweimal ihren Leitzins angehoben. Morgen wird sogar eine dritte Zinserhöhung erwartet.
Stephanie Barrett ist Autorin im ZDF-Team Wirtschaft und Finanzen.