Volkswagen erlebte im Corona-Jahr 2020 die "größte Herausforderung seiner Geschichte", hieß es auf der Bilanzpressekonferenz. Und fuhr doch noch 8,8 Milliarden Euro Gewinn ein.
Große Worte, große Pläne, große Ziele - das ist Volkswagen. Tief gefallen in der Dieselkrise, und inzwischen wieder aufgestanden - mit neuer Kraft aus der Steckdose. Bis 2030, so Konzernchef Herbert Diess, sollen die Hälfte aller weltweit von Volkswagen verkauften Fahrzeuge elektrisch angetriebene Modelle sein.
Volkswagen hat nicht nur die Herausforderung durch Tesla angenommen. Mehr noch: Dem Österreicher an der Spitze in Wolfsburg scheint der Kampf um die neue Marktmacht einen Heidenspaß zu machen.
Tesla wird in Grünheide bei Berlin die weltgrößte Batteriefabrik für die E-Mobilität bauen. Volkswagen gab gestern erst bekannt, dass es bis 2030 sechs Gigafabriken quer durch Europa dagegensetzen will. Gleichzeitig soll für E-Autos ein eigenes europäisches Ladenetz mit 18.000 Ladepunkten entstehen, BP ist dabei einer der Partner.
Marktmacht, Masse, Stärke
Diess spielt auf Sieg, nur das. Denn jetzt, wo der beim Thema Elektromobilität anfangs noch schlafende Riese Volkswagen erwacht ist, muss er in Bewegung bleiben. Damit ihn die Teslas und künftige, mögliche Autobau-Rivalen wie Google, Amazon und Andere nicht am Boden festnageln wie einst den riesigen Gulliver auf seiner Reise.
Marktmacht, Masse, Stärke - damit will Vorstandschef Diess den Markt überrollen und in seine Richtung zwingen. Es ist wie Armdrücken, und jede Milliarde, die in das Auto der Zukunft investiert werden kann, hilft dabei. Also auch ein Corona-Jahr, das im Plus endete, eingerechnet des Kurzarbeitergeldes, mit dem der deutsche Staat den größten deutschen Arbeitgeber in der Krise alimentierte.
Auto der Zukunft lebt von der Software
Diess hat in Deutschland die Arme der anderen heimischen Hersteller heruntergedrückt, indem er das Elektroauto zur einzigen massentauglichen Alternative für klimafreundliche Autos erklärt hat. Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe werden hier erstmal kaum noch eine Chance haben. Diess wirft alles in die Waagschale: Den Konzern, seine Zukunft, die Zukunft des Autostandortes Deutschland.
In der Jahrespressekonferenz kleidete er das in einen klaren Satz, der auch den Analysten und Aktionären gefallen wird:
Das Zauberwort heißt Skalieren auf allen Ebenen. Eine einheitliche Batteriezelle für alle Modelle, elektrische Baukästen, die sich quer durch die Marken von Volkswagen ziehen, Kostenreduktion durch Vereinheitlichung der Technologie, so dass die Form die Autos noch unterscheidet, kaum aber der Inhalt.
Einen Stolperstein gibt es dennoch: Das Auto der Zukunft, das "Smartphone auf Rädern" als Teil eines ganzen Mobilitätskonzeptes, lebt von der Software. Es IST dann hauptsächlich Software. Und dafür fehlen immer noch in großer Zahl die Fachleute, die Profis, die bei Computern hinbekommen, was der Volkswagen der alten Schule seit dem Käfer meist geschafft hatte: Das Produkt läuft und läuft und läuft.
Aber auch hier ist der Anspruch von Herbert Diess alles andere als unbescheiden. Er will Volkswagen nach eigenen Worten über kurz oder lang zum zweitgrößten Software-Hersteller nach SAP machen. Nicht in Deutschland. Nein, in Europa.
Unbedingter Zwang zum Erfolg
Und wer darf alles mit auf die große Reise in die Zukunft? Die Fertigung von Elektroautos braucht weniger Arbeitskräfte, heißt es immer. Selbst da ist Herbert Diess jetzt der Verkünder einer froheren Botschaft:
Gerade einvernehmlich mit dem Betriebsrat entschieden: Bis zu 5.000 Leute sollen in den nächsten Jahren sozialverträglich gehen, oft frühverrentet mit einem silbernen Handschlag.
Silberne Handschläge wird Volkswagen aber auch nur solange verteilen können, wie der Ausblick auf neue goldene Zeiten Bestand hat. Nur dann schafft der Chef in Wolfsburg, was ihm der Aufsichtsrat vor Kurzem noch versagt hatte: Eine Verlängerung seines eigenen Vertrages über 2023 hinaus. Aber die Schicksalsgemeinschaft zwischen Volkswagen und dem himmelsstürmenden Herbert Diess ist jetzt mit dem unbedingten Zwang zum Erfolg besiegelt.
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Die deutsche Autoindustrie ist Arbeitgeber für Millionen und eine wichtige Stütze des Wohlstands - auch dank ihrer guten Beziehungen zur Politik. Dann kommt die Krise.