Energiewende bedeutet auch Wärmewende. Doch während sich beim Strom in den vergangenen Jahren einiges getan hat, stockt die Wende beim klimafreundlichen Heizen. Warum?
Die Preise steigen, der Unmut wächst: Auch wenn man bei den aktuell heißen Temperaturen kaum an kältere Tage denken mag, ist die Sorge um eine ausreichende Energieversorgung im Winter groß. Russisches Gas ist nicht mehr in gewohntem Maß verfügbar, gleichzeitig heizt noch immer ein Großteil der Haushalte in Deutschland damit. Die günstigen Preise der Vergangenheit, sie scheinen sich zu rächen.
Wie ist der aktuelle Stand bei der Wärmewende?
In den vergangenen Jahren war die Entwicklung der erneuerbaren Energien im Wärmesektor "wenig dynamisch", stellt das Umweltbundesamt Anfang des Jahres fest und bezieht sich auf Daten, die das Fachgremium "Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik" seit 2004 regelmäßig erfasst.
Durch die Nutzung erneuerbarer Energien konnten nach vorläufigen Berechnungen des Umweltbundesamts im Jahr 2021 insgesamt 221 Millionen Tonnen Treibhausgas-Emissionen vermieden werden: 167 Millionen Tonnen im Strombereich, aber nur 45 Millionen Tonnen im Bereich Wärme.
Zwar sei insbesondere die Nutzung fester Biomasse (beispielsweise Holz) bis zum Jahr 2013 kontinuierlich angestiegen, seither wachse der Beitrag erneuerbarer Energieträger am Wärmeverbrauch aber nur noch wenig, erläutert das Amt.
Wieso hinkt die Entwicklung im Wärmesektor?
Vom Ölkessel im Keller über Gasheizungen bis hin zu klimafreundlicheren Wärmepumpen oder Solarthermieanlagen auf dem Dach: Die Heizungsart eines Gebäudes in Deutschland kann sehr unterschiedlich aussehen - es gibt zahlreiche Möglichkeiten.
Laut Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie ist jedoch mehr als die Hälfte der Heizungsanlagen unzureichend effizient und gerade einmal 21 Prozent der Heizungsanlagen heizen mithilfe erneuerbarer Energien. Den größten Anteil haben aber Gasheizungen. Denn: Gas war bisher immer günstig.
Martin Kleimaier vom Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE) kritisiert die "unschlagbar günstigen" Preise der Vergangenheit. Sie hätten falsche Anreize gesetzt.
Ähnlich sieht das auch Christoph Kost. Am Frauenhofer Institut ISE forscht er zum Thema Energiewende. Man habe es versäumt, die richtigen Marktsignale zu setzen, erklärt er. Relativ günstige Gaspreise sowie eine geringe Besteuerung von Heizöl und vergleichsweise teure Strompreise hätten eine Umrüstung der Heizanlage alles andere als attraktiv gemacht.
- Warum wir vom Erdgas so abhängig sind
Deutschlands Kommunen und ihre Stadtwerke haben sich auf dem billigen Erdgas ausgeruht und damit gute Gewinne gemacht. Es fehlt an kommunaler Planung, sagt Wärmeberater Sandrock.
Wieso geht das beim Strom schneller?
Das hat zahlreiche Gründe, erklärt Christoph Kost. Es sei leichter, eine Photovoltaikanlagen für grünen Strom auf dem Dach zu bauen, als die komplette Wärmeversorgung im Heizungskeller auszutauschen. Auch gemeinschaftliche Investitionen seien im Energiebereich viel leichter zu tätigen als im Wärmesektor.
Zudem habe man die Technologien zur grünen Stromerzeugung jahrelang viel offensichtlicher und attraktiver gefördert. Das Image sei alles in allem ein anderes. Das fange schon damit an, dass eine Photovoltaikanlage auch von den Nachbarn gesehen würde, erläutert Kost.
Was macht die Wärmewende so kompliziert?
Ein Beispiel für eine umweltfreundlichere Alternative zur Gas- oder Ölheizung ist die Umrüstung auf eine Wärmepumpe. Sie entzieht ihrer Umgebung, etwa der Erdwärme, Energie und es wird nur eine geringe Strommenge benötigt, um daraus Haushaltswärme zu generieren.
Wenn diese Elektrizität zudem aus einer Photovoltaikanlage vom eigenen Dach stammt, kommt die Wärmepumpe komplett ohne fossile Brennstoffe aus. Allerdings ist die Installation einer Wärmepumpe teuer und viele denken nur bei Neubauten über sie nach. Doch Experten weisen darauf hin, dass sie auch Bestandsgebäuden mittlerweile technisch möglich ist - und auch nötig, damit die Wärmewende vorankommt. Allerdings fehlen aktuell Handwerker.
Hinzu kommt, dass es nicht die eine Lösung für das Problem grüne Wärme gibt. Jeder Haushalt, jeder Betrieb, jede Kommune muss mit anderen Rahmenbedingungen arbeiten. Die klimafreundliche Bauweise eines Neubaus sieht anders aus als die klimafreundliche Sanierung eines Altbaus. Städte mit Fernwärmenetz haben andere Möglichkeiten als Gemeinden im ländlichen Raum.
Tamm bei Ludwigsburg bereitet sich auf die Wärmewende vor. Statt mit Öl und Gas soll das Dorf mit Wärmepumpen und einer Biogasanlage versorgt werden.
Was müsste die Politik jetzt machen?
Für den VDE ist klar: Die Wärmewende scheitert nicht an den Technologien, sondern an unzureichenden rechtlichen Voraussetzungen. Die Politik sei dringend gefordert, die Wärmewende mit den richtigen Rahmenbedingungen voranzutreiben. Sie fordern unter anderem, dass Photovoltaikanlagen und Wärmepumpen für Neubauten verpflichtend werde sollten.
Ein Großteil der Wärmewende müsse durch privates Kapital herbeigeführt werden, sagt Kost. Das gelte für private Haushalte genauso wie für die Industrie. Das Problem sei aber dasselbe: Die Technologie erfordere eine höhere Anfangsinvestition. Und zahle sich häufig erst im Langzeitvergleich aus. Es sei die Aufgabe der Politik, diese hohen Anfangskosten abzufedern, fordert Kost.