"Schützenhilfe geleistet", "Warnsignale ignoriert": Unionspolitiker richten im Wirecard-Skandal Vorwürfe an Vizekanzler Scholz - und fordern ihn auf, Verantwortung zu übernehmen.
Unionspolitiker haben Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) aufgefordert, Verantwortung für den Bilanzskandal beim früheren Dax-Konzern Wirecard zu übernehmen. Sein Finanzministerium habe bei der Kontrolle der Finanzaufsicht Bafin schwerwiegende Fehler gemacht, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Untersuchungsausschusses im Bundestag, Hans Michelbach (CSU), am Mittwoch in Berlin.
Alle Warnsignale seien über viele Jahre konsequent ignoriert und der Betrug so erst ermöglicht worden. "Man hat es Wirecard einfach zu einfach gemacht."
Unions-Obmann: Gab keine Weisungen an Bafin
Der Unions-Obmann im Ausschuss, Matthias Hauer, betonte, das Finanzministerium habe die Aufsicht über die Bafin. Es gebe aber erhebliche Zweifel, ob diese Aufsicht überhaupt ausgeübt worden sei. Weisungen des Ministeriums an die Bafin habe es nicht gegeben.
Gleiches gelte für seinen Staatssekretär Jörg Kukies. Beide sollen in der kommenden Woche im Untersuchungsausschuss befragt werden. Dabei werde sich auch "das Maß des persönlichen Verschuldens" zeigen, betonten die Unionspolitiker.
Union: Einigung im Mai auf Wirecard-Gesetz
Hinsichtlich des Wirecard-Gesetzes rechnet die Union im Mai mit einer Einigung im Bundestag auf Details des Vorhabens. "Wir wollen keinen Schnellschuss", sagte Hauer. Vor der Sommerpause solle das Vorhaben aber in die Spur gesetzt werden - und damit rechtzeitig vor dem Ende der Amtszeit der Großen Koalition.
Vor allem bei der Bilanzkontrolle müsse nachgeschärft werden, ergänzte der CDU-Finanzexperte Fritz Güntzler. Das zweistufige System aus der Bonner Finanzaufsicht BaFin und der als "Bilanzpolizei" bekanntgewordenen privatwirtschaftlichen DPR müsse abgeschafft werden, weil es im Fall des milliardenschweren Wirecard-Finanzskandals versagt habe.
Dafür brauche es mehr Personal bei der BaFin, die künftig alleine zuständig sein sollte. Zudem sei unter der neuen BaFin-Führung auch eine andere Kultur mit einer kritischen Grundhaltung gegenüber großen Konzernen gefragt.
Bei der geplanten Haftungsverschärfung für Wirtschaftsprüfer, die die SPD durchsetzen will, werde die Union in der Grundrichtung mitgehen, so Hauer. Es müsse aber verhindert werden, dass die Konzentration auf dem Markt mit nur vier Hauptanbietern nicht noch stärker werde und so weniger Auswahl am Ende bestehe.
Michelbach: Größter Finanzskandal in Europa
Der frühere Dax-Konzern Wirecard war im Juni 2020 nach Bekanntwerden milliardenschwerer Luftbuchungen in die Pleite gerutscht. Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Bilanzfälschung, Betrug, Marktmanipulation und Geldwäsche. Mehrere Ex-Manager des Zahlungsabwicklers sitzen in Haft oder befinden sich auf der Flucht.
Die Bundesregierung will mit dem sogenannten Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG), das im Dezember vom Kabinett gebilligt wurde, der BaFin mehr Durchgriffsrechte bei Bilanzprüfungen geben und Wirtschaftsprüfer enger an die Leine nehmen.
CSU-Politiker Hans Michelbach sprach vom größten Finanzskandal in Europa. Der wirtschaftliche Schaden summiere sich auf mehr als 22 Milliarden Euro, viele Kleinanleger seien geschädigt worden.
Kleinanleger verlieren ihr Erspartes, Fondsmanager ihre Reputation, die Finanzaufsicht ihre Glaubwürdigkeit – die Wirecard-Pleite hat ein Beben auf dem Finanzmarkt ausgelöst.