Der Wirecard-Skandal wird politisch aufgearbeitet - es zeichnet sich ein Untersuchungsausschuss im Bundestag ab. FDP und Linke sind dafür, auch die Grünen deuten Zustimmung an.
Angela Merkel setzte sich im September 2019 bei einer China-Reise für den mittlerweile insolventen Zahlungsdienstleister Wirecard ein. In einer Sondersitzung des Bundestag-Finanzausschusses wurde erörtert, welche Rolle Lobbyisten dabei spielten.
Die Opposition im Bundestag sieht die politische Aufarbeitung des Wirecard-Skandals noch lange nicht am Ziel. Auch aus Sicht der Grünen ist mittlerweile die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ein Untersuchungsausschuss eingesetzt wird, wie der Grünen-Politiker Danyal Bayaz am Montag vor erneuten Sondersitzungen des Finanzausschusses im Bundestag sagte.
FDP und Linke plädieren bereits seit längerem für einen Untersuchungsausschuss, die Grünen wollten die Sondersitzungen des Finanzausschusses am Montag und Dienstag abwarten. Für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses muss im Bundestag ein Viertel der Abgeordneten stimmen. FDP, Grüne und Linke würden zusammen das Quorum erreichen.
FDP-Obmann Toncar: Multiples Staatsversagen
Der FDP-Obmann im Ausschuss, Florian Toncar, betonte, die Aufklärung im Fall Wirecard würde noch lange andauern. Er sprach von einem "multiplen Staatsversagen" auf verschiedenen Ebenen. So habe die Finanzaufsicht Bafin trotz klarer Hinweise auf Unregelmäßigkeiten nötige Schritte nicht ergriffen. Außerdem sei Verdachtsmeldungen auf Geldwäsche vor der Wirecard-Insolvenz nur ungenügend nachgegangen worden.
Zuvor hatte Toncar in der "Passauer Neuen Presse" erneut die Rolle des Kanzleramts scharf kritisiert. Es sei doch "hochgradig beschämend für die Bundesregierung, sich im Ausland ganz offiziell für ein betrügerisches Unternehmen eingesetzt zu haben", so Toncar.
Merkel hatte bei einer China-Reise im September 2019 für den Markteintritt von Wirecard in China geworben. Die Kanzlerin hatte darauf verwiesen, dass ihr damals Unregelmäßigkeiten bei Wirecard noch nicht bekannt gewesen seien.
SPD-Politikerin Kiziltepe: Wirecard-Lobbyismus im Kanzleramt erschreckend
Die SPD-Politikerin Cansel Kiziltepe sagte, der "Wirecard-Lobbyismus" im Kanzleramt sei erschreckend. Hintergrund sei auch, dass der Ex-Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, Klaus-Dieter Fritsche, sowie der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg Lobbyarbeit für Wirecard betrieben.
Im Juni dieses Jahres hatte der inzwischen insolvente Zahlungsdienstleister Wirecard Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt. Die Münchner Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Wirecard seit 2015 Scheingewinne auswies - und ermittelt wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs. Der Schaden für die kreditgebenden Banken und Investoren könnte sich auf 3,2 Milliarden Euro summieren.
Ein deutsches Unternehmen mit Erfolg auf dem internationalen Tech-Markt, ein Liebling vieler Anleger. Das war Wirecard. Dann kamen die mutmaßlich erfundenen Milliardengewinne und womöglich gefälschte Bilanzen. Wie konnte es nur soweit kommen?
Wie viel wusste die Bundesregierung?
Zentrale Fragen bei der politischen Aufarbeitung sind nun, wann genau die Bundesregierung von Unregelmäßigkeiten wusste und ob sie zu wenig dagegen unternommen hat. Bei einer Sondersitzung des Finanzausschusses Ende Juli hatte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) Vorwürfe gegen die Bafin zurückgewiesen.
Bei der Sitzung am Montag wurden Vertreter des Kanzleramts gehört, darunter der Wirtschaftsberater von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Lars-Hendrik Röller. Neben Röller wird im Laufe des Tages auch Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) im Ausschuss erwartet.
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Wirecard: Ein immer größer werdender Skandal
Im Bilanzskandal des Wirecard-Konzerns sollen philippinische Behörden Dokumente des flüchtigen Ex-Vertriebsvorstand Marsalek gefälscht haben. Zudem wächst die Kritik an der Bundesregierung.