Im Wirtschaftsthriller um Wirecard rückt diese Woche die Regierung ins Rampenlicht. Im U-Ausschuss muss heute SPD-Kanzlerkandidat Scholz Rede und Antwort stehen.
Neun Monate nach der Implosion des einstigen Dax-Konzerns Wirecard liegt noch immer Vieles im Nebel. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss soll Versäumnisse von Aufsichtsbehörden und der Regierung aufklären.
Nach fast 200 Stunden Befragungen von Zeugen rücken das Bundesfinanzministerium und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz in den Fokus - heute wird er befragt. Das Wichtigste zu Scholz´ Rolle im Wirecard-Skandal:
Was hat Scholz mit dem Wirecard-Skandal zu tun?
Das Bundesfinanzministerium hatte eine staatliche Rettung von Wirecard in Betracht gezogen, nachdem Luftbuchungen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro bekanntgeworden waren. Wenige Stunden nachdem Wirecard am 22. Juni das Fehlen des Geldes einräumte, verschickte Staatssekretär Jörg Kukies ein neunseitiges Dokument an Scholz, in dem Argumente für mögliche Staatshilfen dargelegt wurden.
In dem Dokument an "M" - das Kürzel für Minister Scholz - heißt es, es sei nicht damit zu rechnen, dass die Banken Wirecard "über die Klinge springen lassen" würden. Die Überlegungen für Staatshilfen wurden in den folgenden Tagen aber ad acta gelegt. Am 25. Juni meldete Wirecard Insolvenz an.
Was wird der SPD und Scholz vorgeworfen?
Unionspolitiker haben Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) aufgefordert, Verantwortung für den Bilanzskandal beim früheren Dax-Konzern Wirecard zu übernehmen. Sein Finanzministerium habe bei der Kontrolle der Finanzaufsicht Bafin schwerwiegende Fehler gemacht, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Untersuchungsausschusses im Bundestag, Hans Michelbach (CSU), vergangene Woche in Berlin.
Der Unions-Obmann im Ausschuss, Matthias Hauer, betonte, das Finanzministerium habe die Aufsicht über die Bundesanstalt für Finanzaufsicht (Bafin). Es gebe aber erhebliche Zweifel, ob diese Aufsicht überhaupt ausgeübt worden sei. Weisungen des Ministeriums an die Bafin habe es nicht gegeben.
Kleinanleger verlieren ihr Erspartes, Fondsmanager ihre Reputation, die Finanzaufsicht ihre Glaubwürdigkeit – die Wirecard-Pleite hat ein Beben auf dem Finanzmarkt ausgelöst.
Die Opposition stört sich zudem daran, dass Kukies den Kontakt zu Ex-Wirecard-Chef Markus Braun gepflegt hat, der seit dem Zusammenbruch der Firma in Untersuchungshaft sitzt. Durch den U-Ausschuss will die Opposition auch klären, inwieweit die Bundesregierung Lobbyismus für Wirecard etwa in China betrieben hat.
Welche Rolle spielt die Bafin im Wirecard-Skandal?
Die Bafin ist vor allem wegen des Leerverkaufsverbots für Wirecard in die Kritik geraten. Sie hatte im Februar 2019 für zwei Monate Wetten auf Kursverluste der Wirecard-Aktien untersagt - ein einmaliger Vorgang. Der Behörde wird vorgeworfen, Wirecard damit zum Opfer gemacht und Investoren geschädigt zu haben.
Der Grünen-Abgeordnete Danyal Bayaz kritisiert etwa, dass Scholz näher hätte hinsehen und eingreifen sollen. Monatelang hatte Scholz BaFin-Chef Felix Hufeld geschützt. Im Januar entließ er ihn aber dann doch.
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Die oberste deutsche Finanzaufsicht steht wegen des Wirecard-Skandals schon länger unter Druck. Ein Mann von außen soll den Reformprozess voranbringen.
Wie verteidigen sich die SPD und Scholz?
Für Scholz und die SPD ist außerhalb des Wirecard-Managements die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) der Hauptschuldige - so will die Partei ihren Kanzlerkandidaten aus der Schusslinie ziehen.
Wieso gibt die SPD den Wirtschaftsprüfern die Schuld?
In einer Zwischenbilanz zum U-Ausschuss der SPD heißt es: "Dem Ausschuss stehen Unterlagen zur Verfügung, die darauf hindeuten, dass EY bereits Anfang 2019 erhebliche Zweifel an den Bilanzen Wirecards hatte, diese jedoch trotzdem uneingeschränkt testierte. Der Betrug bei Wirecard wäre jedenfalls durch EY nicht ans Licht gekommen."
EY habe bereits 2017 die Chance gehabt, den mutmaßlichen Betrug aufzuklären, habe aber keine angemessene Prüfung der Vorwürfe durchgeführt, kritisiert die SPD.
EY wehrt sich gegen die Vorwürfe. Das "kriminelle Netz" bei Wirecard sei darauf ausgelegt gewesen, die Akteure zu täuschen. Belege wie Bankbestätigungen seien mit großem Aufwand gefälscht worden.
- Union: Scholz muss Verantwortung übernehmen
"Schützenhilfe geleistet", "Warnsignale ignoriert": Unionspolitiker richten im Wirecard-Skandal Vorwürfe an Vizekanzler Scholz - und fordern ihn auf, Verantwortung zu übernehmen.